Wiens oberster Radfahrer plädiert für Rad-Langstrecken
Radfahrbeauftragter Martin Blum im Interview über den Rad-Führerschein, grüne Radwege, aktuelle Projekte und warum er bei Wind und Wetter durch die Stadt radelt.
Radler, Fußgänger und Autofahrer – ein brenzliges Thema. Woran hakt es in Wien?
MARTIN BLUM: "Wo Leute aufeinander treffen, wo es Bewegung gibt, da reibt es hie und da und es gibt Konflikte. Das ist auch im Straßenverkehr so. Einerseits glaube ich, dass in Wien schon einiges funktioniert. Autofahrerinnen und Autofahrer nehmen heute mehr Rücksicht auf Radfahrende als noch vor einigen Jahren. In der öffentlichen Diskussion werden Konflikte manchmal auch größer gemacht. Andererseits bin ich mir sicher, dass das gegenseitige Verständnis und die Vorsicht größer sein können. Die Mobilitätsagentur leistet dafür aktuell mit der Aktion "Gemeinsam auf der Mahü" und mit der Radfahr-Fibel , einer Broschüre für sicheres Radfahren, einen Beitrag."
Wäre ein Führerschein" für Radfahrer sinnvoll?
"Dass es zu Konflikten kommt liegt meist an mangelnder Rücksicht. Etwa wenn jemand bei rot über die Kreuzung fährt oder zu knapp überholt. Nur selten liegt es an schlechter Regelkenntnis. Deshalb halte ich den Führerschein für Radfahrerinnen und Radfahrer für entbehrlich. Ich bin aber dafür, dass jedes 10-jährige Kind in der Schule die Möglichkeit bekommt, den Radausweis zu machen."
Wenn man durch die Stadt radelt, hat man das Gefühl, bahnbrechende neue Radwege bzw. Verbesserungen wurden in den letzten Jahren nicht getätigt…
"Es gibt stetige Verbesserungen. Wie etwa beim Umbau der Ottakringer Straße, wo deutlich bessere Bedingungen für Radfahrende und Zu-Fuß-Gehende geschaffen wurden. Der Radweg in der Unteren Donaustraße war ein wichtiger Lückenschluss. Immer mehr Einbahnen werden fürs Radfahren geöffnet und vor knapp zwei Jahren wurde der Radweg auf der Außenseite des Rings fertiggestellt. Die Hasnerstraße wurde fahrradfreundlich. Beim neuen Hauptbahnhof und in der Seestadt Aspern tut sich ebenfalls einiges. Klar ist aber auch: wenn in Wien die ambitionierten Ziele beim Radverkehr erreicht werden sollen, dann braucht es neben den Bewusstseinsbildungsmaßnahmen stärkere Akzente bei der Infrastruktur. Wir arbeiten an Konzepten zum Ausbau des Citybike-Systems und zu Radlangstrecken-Verbindungen. Ich hoffe, die Konzepte können zügig umgesetzt werden."
Stichwort Grüne Radwege: Ist eine Ausweitung geplant?
"Die Evaluierung der hat gezeigt, flächige Markierungen auf Radwegen führen zu weniger Konflikten zwischen Radfahrenden und Fußgängerinnen und Fußgängern. Wo in Zukunft die flächigen Markierungen zur Anwendung kommen, wird derzeit geprüft."
Sie fahren bei Wind und Wetter mit dem Rad durch die Stadt. Warum würden Sie nie wieder aufs Auto umsatteln?
"Sag niemals nie, lautet ein Sprichwort. (lacht) Ich bin Carsharing-Kunde. Wenn mich jemand fragt warum ich in Wien mit dem Rad fahre, fällt mir das gar nicht so leicht zu beantworten, wahrscheinlich weil es so selbstverständlich ist. Es ist für mich ganz einfach schnell, es gibt keine Wartezeiten oder Parkplatzsuche. Meiner Gesundheit tut es gut. Bei drei Kindern bleibt kaum Zeit für extra Sport. Und ich mag es die Stadt in allen Facetten intensiv und direkt mit dem Rad zu erleben."
Zur Person
Martin Blum (37) ist seit November 2011 Radverkehrsbeauftragter in Wien. Davor war Blum Jahre neun Jahre lang beim Verkehrsclub Österreich (VCÖ) tätig, zuletzt leitete er die Verkehrspolitische Abteilung.
Martin Blum hat an der Universität für Bodenkultur Wasserwirtschaft und Kulturtechnik studiert und unter anderem in seiner Jugend als Fahrradbote in Graz gearbeitet.
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