Schiffsbautechnische Versuchsanstalt: Mini-Luxuskreuzer im Härtetest
In der Schiffbautechnischen Versuchsanstalt in der Brigittenau werden Schiffe aus aller Welt getestet und optimiert.
BRIGITTENAU. Unscheinbar und versteckt ganz im Norden der Brigittenauer Lände arbeiten täglich 16 Spezialisten für Kunden aus aller Welt. „Ein Schiff pro Woche schaffen wir ungefähr", erzählt Leiter Clemens Strasser. Die Schiffe sollen später einmal auf der Donau, im Ozean oder auf Polarreisen im Einsatz sein. Die Schiffbautechnische Versuchsanstalt ist dabei nicht nur das einzige Unternehmen dieser Art in Österreich, sondern genießt auch international hohes Ansehen. In der Brigittenau wissen jedoch nur die Wenigsten Bescheid über die Schiffstechniker.
"Uns gibt es schon seit über 100 Jahren", so Strasser. Gegründet wurde die Schiffbautechnische Versuchsanstalt vor dem 1. Weltkrieg, damals noch vorwiegend für den Donauschiffsverkehr. „Dass wir genau hier stehen, ist mehr oder weniger ein Zufall", so der Unternehmer. Im 1. und später auch im 2. Weltkrieg ließ die Kriegsmarine ihre Schiffe und U-Boote im 180 Meter langen Versuchsbecken testen. Heute arbeitet das Team meist für private Schiffseigner, Designer und Werften.
Vom Modell zum Versuch
Ein leichtes Geschäft hätte man in dieser umkämpften Branche nicht, erklärt Strasser. Die Verhandlungen sind hart – manchmal wird nur um wenige Hundert Euro gestritten. „Teilweise geht es zu wie auf einem Basar", so der Wirtschaftsingenieur. In Asien haben Versuchsanstalten dieser Art oft die hundertfache Mitarbeiteranzahl. Trotzdem ziehen die Stammkunden aus dem Mittleren Osten oder Indien in die Brigittenau. Strasser zeigt auf einen Tisch: „Das hier ist ein Modell der Costa Concordia. Und das hier drüben sind ein paar Kreuzfahrtschiffe." Die detailreichen Modelle sind aus Holz und handgemacht, für die Fertigung haben die Tischler meist nur rund drei Wochen. Dann beginnt der eigentliche Versuch, bei dem die kleinen Modelle im Windkanal, die großen im Wasserbecken getestet werden. Meist geht es darum, die Schiffe möglichst effizient und sicher zu gestalten – so können im Wasserbecken etwa Wellen erzeugt werden und im Windkanal Windschützer für die Schiffspassagiere getestet werden. Gearbeitet wird dabei fast ausschließlich mit Modellen, da die echten Schiffe viel zu groß wären. Von den Modellversuchen wird dann auf das echte Schiff hochgerechnet.
Ähnlich international wie die Kunden der Versuchsanstalt ist auch das 16-köpfige Team. Neben Österreichern sind unter anderem Kroaten und Schotten unter den Tischlern, Messtechnikern und Schiffbauingenieuren. Strasser selbst hat auch in Schottland studiert, aufgewachsen ist er aber in Wien. „Eigentlich wollte ich immer in die Automobilindustrie", so der Unternehmer. Nachdem er dann aber bei seinem Vater in die Schiffbautechnische Versuchsanstalt eingestiegen ist, ist er dort irgendwie hängengeblieben, wie er sagt. Heute kann er behaupten, dass er die weltweit einzige private Versuchsanstalt dieser Art leitet. „Unsere Kunden kommen wegen des Know-hows, nicht wegen der Größe", so der Ingenieur.
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