Unterwegs auf Hochspannung: Stille Helden unserer Stromversorgung
Rainer Sengseis und Lukas Martin klettern tagein, tagaus auf die Wiener Hochspannungsmasten, um die Stromversorgung der Stadt sicherzustellen. Die bz war beim alltäglichen Abenteuer auf 78 Metern Höhe dabei.
WIEN. Selbstverständlich ist er für uns geworden. Er kommt aus zwei Löchern in der Wand und ist in der Regel einfach verfügbar. Die Rede ist vom Strom, dessen Ausfall wir in Wien de facto nicht kennen. Was wirklich passieren würde, würde uns der Strom abgedreht, hat der Wiener Autor Marc Elsberg in seinem Roman "Black Out" niedergeschrieben – ein echtes Endzeitszenario.
Damit unsere E-Herde funktionieren, unsere Smartphones wieder Saft haben und wir am Abend keine Kerzen anzünden müssen, ist allerdings eine ganze Menge an Infrastruktur notwendig – vom Kraftwerk bis zum Kabel. Und bei der Menge an Strom, die wir Tag für Tag verbrauchen, sind das schon sehr dicke Kabel. Allein in Wien und der näheren Umgebung versorgen uns 420 Kilometer Hochspannungsleitungen – meist 2,5 Zentimeter dicke Stahlseile mit einer Spannung von 110.000 Volt oder 380.000 Volt. In der Zivilisation lebend, nehmen wir diese für uns lebenswichtigen Stromadern kaum wahr. Sie stehen in der Landschaft und sie funktionieren – selbstverständlich.
Keine Cowboys, keine Helden
Menschen wie Lukas Martin (23) und Rainer Sengseis (40) haben einen anderen Bezug zu dieser Infrastruktur. Die beiden Elektriker der Wiener Netze klettern tagein, tagaus auf die bis zu 78 Meter hohen Wiener Hochspannungsmasten und tun, was getan werden muss: servicieren und reparieren. "Alle Freileitungen werden von den Wiener Netzen geplant, gebaut und gewartet. Unser Trupp führt die Instandhaltung durch", sagt Teamleiter Heinz Stotz. Und das kann mitunter ganz schön heikel werden. Nicht nur, weil sich ein Gebrechen selten am Wetter orientiert, und die Elektriker auch bei Starkwind oder Vereisung auf die Stahlgerüste müssen, sondern auch, weil man von einer 380.000 Volt-Leitung auch in zwei bis drei Metern Entferung einen Stromschlag abbekommt – bei dieser Spannung und dieser Höhe einen finalen. "Dort oben brauche ich keine Cowboys und keine Helden. Da muss man konzentriert arbeiten", sagt der Teamleiter.
Deswegen sind neben Konzentration eine ganze Reihe von Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Farbmarkierungen auf den Leitungen zum Beispiel. Einer der beiden Leitungsstränge steht nämlich immer unter Strom. Abgeschaltet wird nur jener, an dem gerade gearbeitet wird. Die Freileitungselektriker tragen die jeweils sichere Farbe als Armband. Am Masten könne man leicht die Orientierung verlieren, so Stotz. Abgesehen vom Strom ist natürlich die Höhe lebensbedrohlich. Körperliche Fitness und Kletterfahrung sind Voraussetzung für die Freileitungselektriker. Gesichert werden die Beiden wie beim Klettern üblich mit Gurt, Seil und Karabiner. Sengseis und Martin sind damit durchgehend vor dem Abstürzen geschützt.
Trotz der zahlreichen Gefahren kann sich weder der Liesinger Sengseis, noch der Niederösterreicher Martin einen anderen Job vorstellen. Schnuppert man einmal das Abenteuer auf den Strommasten, verschwindet der Gedanke an den Bürojob. Sengseis steigt zwar gern, aber mit viel Respekt zu den Kabeln hinauf. "Es kann schon auch gefährlich werden", sagt der 40-Jährige. "Etwa wenn der Mast komplett vereist ist, oder wenn ein Gewitter aufzieht." Dann gelte es umso mehr, einen kühlen Kopf zu bewahren.
So selbstverständlich wie für uns der Strom, so selbstverständlich sind für die beiden Elektriker die alltäglichen Gefahren, denen sie in ihrem Job ausgesetzt sind. Alles nur, damit der Strom weiterfließt, aus den kleinen Löchern in unseren Wänden.
Hintergrund:
Lukas Martin und Rainer Sengseis wurden von ServusTV für das neue Format "Abenteuer Österreich" in der Lobau gefilmt. Die Sendung "Männer unter Strom" wird am 15. Mai um 20.15 Uhr bei ServusTV ausgestrahlt. Die vergangenen Sendungen sind in der TV-Thek von ServusTV zu finden.
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