FILMWERKSTATT stellt vor: Mord an einen chinesischen Buchmacher
Ein verlängertes Wochenende steht vor der Tür, was liegt da näher als sich zurückzulehnen und die Zeit mit einem interessanten Film zu vertreiben. Und weil wir im Frühjahr sind, so ist unser Filmtipp "etwas Leichtes". Viel spaß also mit:
John Cassavetes
The Killing of a Chinese Bookie
USA 1976
1976 drehte John Cassavetes einen Film, der auf den ersten Blick wie ein waschechter, klassischer Gangsterstreifen aussieht. Doch auch mit 30 Jahren Abstand fällt es schwer, das Werk angemessen in die Filmgeschichte einzuordnen.
Cosmo Vitelli (Ben Gazzara) bewegt sich durch Los Angeles. Der nicht allzu groß gewachsene Mann läuft durch enge wie durch breitere Straßen, sucht schummrige Bars oder Tiefgaragen auf und dringt in Apartments ein. Immer wieder lösen sich seine Umrisse in den Schatten auf, die er durchquert. Einige Lichtstrahlen fallen auf das Gesicht, das selten eine andere Regung zeigt als ein leichtes Lächeln, das von viel erzählt, aber nie von echter Lebensfreude. Und irgendwann zückt Cosmo Vitelli eine Pistole.
Cosmo Vitelli ist ein Nachtclubbesitzer. In seinem Etablissement tritt ein bereits reichlich heruntergekommener Entertainer namens Mr. Sophistication (Meade Roberts) auf, der sich zwischen den ihn umgebenden barbusigen Tänzerinnen nie sonderlich wohl zu fühlen scheint. Cosmo selbst ist ein in die Jahre gekommener Playboy. Als er eines Nachts am Spieltisch 23000 Dollar verliert, gerät nicht nur sein aufwändiger Lebenswandel, sondern seine gesamte Existenz in Gefahr. So sieht er sich gezwungen, auf das Angebot seines Gläubigers einzugehen und einen diesem unliebsamen chinesischen Buchmacher ins Jenseits zu befördern.
Die dynamische Handkamera setzte Cassavetes schon 20 Jahre vor dem dänischen Dogma-Stil ein: Der Zuschauer nimmt hautnah teil an der brutalen Realität einer amerikanischen Großstadt - ohne den üblichen Glamour Hollywoods. In Amerika kommt der Film bei Kritikern und Zuschauern schlecht an, in Europa bewundert man die tiefgründige Psychologie der Figuren, die ohne jedes Psychologisieren auskommt, die hervorragenden Schauspieler mit Ben Gazzara in einer seiner Glanzrollen und die Würde und Liebe, die Cassavetes seinen Protagonisten auch in diesem Film angedeihen lässt .
„John Cassavetes ist der unabhängigste der unabhängigen Filmemacher, nicht weil er mit den Versatzstücken des Thrillers spielen oder sich an ihnen abarbeiten würde. Cassavetes nimmt sich nicht die Freiheit, sondern er hat sie einfach. Es ist die Freiheit, Kamera, Schnitt und Musik völlig subjektiv und exzessiv für seine Themen und Obsessionen zu nutzen. […] Selten hat das Kino eindringlicher von der Verlorenheit eines Menschen erzählt.“
– Anke Leweke: Die Einsamkeit im Strip-Lokal in DIE ZEIT
Originaltitel: The Killing of a Chinese Bookie
Deutscher Titel: Tod eines chinesischen Buchmachers
Format: 35 mm
Länge: 108 Min.
Fassung: Amerikanische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Farbe: Farbe
Starttermin: 1994-04-29
Regie: John Cassavetes
Drehbuch: John Cassavetes
Darsteller: Ben Gazzara, Timothy Agoglia Carey, Seymour Cassel, Robert Phillips, Morgan Woodward, John Red Kullers
Kamera: Fred Elmes, Michael Ferris
Schnitt: Tom Cornwell
Ton: Bo Harwood
Produktion: Faces International Films
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