Bezirk Gänserndorf: Anruf aus der Vergangenheit
Geschichten um die hundertjährige Geschichte der Telefonzelle und warum sie als Anachronismus heute noch besteht.
GÄNSERNDORF. Trotz Handy-Boom gibt es im Bezirk Gänserndorf noch 171 Telefonzellen. Eine Zeitreise zwischen Wählscheibe und Highspeed-Internet. Nach Parbasdorf kam die technische Errungenschaft "Telefonzelle" zu einem Zeitpunkt, als diese andernorts durch das aufkommende Handy obsolet wurde.
In Parbasdorf kehrt die Telekommunikation erst zu Beginn der 1990er ein – kurz bevor der Handyboom einsetzte. "Die Privathaushalte waren damals zwar schon alle mit Telefonen versorgt, aber für Landarbeiter und Flüchtlinge während des Jugoslawienkrieges war die Telefonzelle ungemein wichtig", erinnert sich Altbürgermeister Johann Gössinger. Auch bei LKW-Fahrern war es eine beliebte Anlaufstelle, dank der großzügigen Parkmöglichkeiten im Zentrum des Dorfes. Die Pflege der Zelle übernahm die Gemeinde, die heute noch sauber, aber ungenützt das Ortsbild prägt.
Die Erinnerungen an die goldenen Zeiten der Telefonzelle gestalten sich nicht nur für die Handygeneration als amüsante Zeitreise. Barbara Duchkowitsch aus Hohenau erzählt von einer Bahnfahrt am späten Abend nach Arbeitsschluss. Sie war nur kurz eingenickt, als sie vom Schaffner in Bernhardsthal geweckt wurde: Endstation vor der Grenze. Handy gabs noch keines, also marschierte sie ins Ortszentrum zur nächsten Telefonzelle. Gerade als sie ihren Vater um "Taxiservice" bitten wollte, wurde das Gespräch mangels weiterer Münzen unterbrochen.
"Ich hatte noch fünf Schilling, die fielen, als ich sie in den Münzschlitz stecken wollte, zu Boden und rollten in den Kanal", erinnert sich Duchkowitsch lachend.
Der Vater hatte aber gerade noch das Wort Bernhardsthal verstanden, sich mit dem Auto auf die Suche nach seiner Tochter gemacht und sie tatsächlich auf ihrem Heimweg auf der Landstraße aufgegabelt.
Strom und Internet aus der Zelle
In Niederösterreich gibt es 2.200 Telefonzellen. Die Universaldienstverordnung verpflichtet A1 den Stand von 1997 aufrecht zu erhalten, nach wie vor steht in fast jeder Gemeinde Österreichs zumindest eine Telefonzelle, hauptsächlich an neuralgischen Punkten wie Bahnhöfe oder Fußgängerzonen.
Die Nutzer sind hauptsächlich Handybesitzer mit leerem oder defektem Akku, Menschen mit geringem Einkommen und sehr oft Touristen.
Die neueste Generation der Telefonzellen wird nicht nur für Telefonate genutzt, sondern dient auch als lokale Auskunftsstation: in den sogenannten "Multimedia-Stations" erhält man Infos über Restaurants, Trafiken oder Apotheken in der Umgebung oder man surft im Internet, verschickt Fotos und E-Mails. Derzeit gibt es rd. 700 dieser Multimediastationen, eine davon wurde 2004 vor dem Gänserndorfer Rathaus in Betrieb genommen.
Außerdem werden Telefonzellen auch als Stromtankstellen genutzt, so zum Beispiel in Groß-Enzersdorf, wo auch seit dem Vorjahr eine Bücherzelle steht. Sie fungiert als Gratis-Bücherei, Schmöker können vorort im Stadtpark gelesen oder auch mitgenommen beziehungsweise dort abgegeben werden.
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