Von Menschen und Menschenaffen
Gejagt, eingesperrt in Isolationshaft, zu Versuchszwecken missbraucht. In Gänserndorf haben die Schimpansen ein Stück Freiheit zurückgewonnen.
GÄNSERNDORF. Carmen wartet schon. Die Schimpansin sitzt am Fenster und fixiert die Handtasche einer Besucherin. Eine unmissverständliche Aufforderung, jedes Teil einzeln auszuräumen, damit es begutachtet werden kann. Carmen liebt Taschen. "Jeder Schimpanse hat seinen Charakter, seine Vorlieben oder Verhaltensweisen", wissen die Tierpfleger.
Im Affenrefugium von Gut Aiderbichl Gänserndorf leben derzeit 34 Schimpansen. 34 traumatisierte ehemalige Versuchstiere. 2009, als der Safaripark in Konkurs ging, war ihre Zukunft ungewiss, doch Gut Aiderbichl-Gründer Michael Aufhauser schloss die Tiere bei seinem ersten Besuch ins Herz, von da an war klar, dass in Gänserndorf ein Gnadenhof für die "Baxter-Affen" entstehen würde.
Affensprache
Die Tierpflegerinnen Renate Foidl und Bettina Gaupmann haben in den 24 beziehungsweise zwölf Jahren Arbeit mit den Tieren nicht nur immenses Wissen angesammelt, da ist auch eine große emotionale Verbundenheit. Jeder Schimpanse wird mit Name begrüßt. "Sie verstehen aber weit mehr, sie können untereinander, aber auch mit uns kommunizieren", erklärt Foidl. Gesprochen wird in Form von unterschiedlichen Lauten, Blicken und Gesten.
Wenn Holophernes sich am ganzen Körper kratzt, kann es ungemütlich werden. Möglicherweise folgt jetzt eine kleine Machtdemonstration, denn er ist der Chef der fünfköpfigen Gruppe. In einer anderen Gruppe lebt Johannes, der sein Gesicht gegen die Panzerglasscheibe drückt und "schmusen" will. Pumuckl wiederum ist ein absolut sensibler Schimpansenmann und nimmt Rücksicht auf die Arthrose seiner Mitbewohnerin Carmen.
HIV positiv
2011 eröffnete man die Freigehege, die von den meisten Schimpansen genutzt werden. "Manche haben sich aber nach fünf Jahren immer noch nicht vor die Tür getraut", sagt Gaupmann. Einige Affen sind HIV-infiziert, aber nicht an Aids erkrankt, die meisten Tiere sind jedoch nicht infektiös. Trotzdem gibt es absolut keinen direkten Kontakt zwischen den Tierpflegern und ihren Schützlinge. "Menschenaffen sind fünfmal so stark wie wir und völlig unberechenbar", informiert Gaupmann. Eine "liebevolle" Umarmung wäre für Menschen tödlich. Trotzdem stehen sich Pfleger und Tiere offensichtlich nahe: Das Sozialverhalten der Schimpansen wird genau beobachtet, auf problematische Veränderungen in der Gruppe wirken die Pflegerinnen sofort ausgleichend ein. "Für die Schimpansen gehören wir zu ihrer Gruppe, wir sind das 'Dienstpersonal' in ihren Augen", lacht Foidl.
Zur Sache
Der Großteil der Tiere stammt aus Wildfängen in den 80er-Jahren aus Westafrika. Um Schimpansenbabys zu fangen, wurden die erwachsenen Tiere von Affenfängern getötet. Von den 80er-Jahren bis 1997 wurden sie im Labor des Pharmaunternehmens Immuno in Orth für Versuchszwecke eingesetzt. Mit der Firmenübernahme durch Baxter übersiedelten die Schimpansen in eine von Baxter finanzierte Anlage in den Safaripark. 2009 übernahm Gut Aiderbichl die damals 40 Tiere. Versuche an Menschenaffen sind in Österreich seit 2006 verboten.
Wer Pate für einen der Gänserndorfer Schimpansen werden möchte, findet Informationen unterhttp://www.gut-aiderbichl.at
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