Halali auf verstrahltes Wild
Der Cäsium-Gehalt im Fleisch von Wildschweinen ist fallweise zehnfach über dem Grenzwert. Kontrollen gibt es nicht flächendeckend. Das belastete Fleisch landet ohne Weiteres auf dem Teller.
BEZIRK (pez). Gerade im Waldviertel sind Wildschweine in den vergangenen Jahren zu einem beinahe schon alltäglichen Anblick geworden. Was aber die wenigsten wissen: Wegen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ist jedes zehnte Tier verstrahlt. Das Fleisch von mehreren tausend verseuchten Tieren landet so jährlich auf den Tellern in Niederösterreich.
Cäsium-Gehalt teilweise zehnfach über dem Grenzwert
Etwa 700 Wildschweine werden pro Jahr im Bezirk Waidhofen geschossen (NÖ-weit sind es 23.600 Stück) - und meist auch verzehrt, weiß die örtliche Jägerschaft. Was jedoch die wenigsten wissen: In Einzelfällen wurden schon Strahlenbelastungen von 6.000 Becquerel pro Kilo Fleisch nachgewiesen. Das bedeutet, das Fleisch ist stark radioaktiv belastet - teilweise zehnfach höher als vom Gesetzgeber erlaubt.
In Bayern wird streng kontrolliert, in Österreich nicht
Grund ist die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren. Das radioaktive Cäsium sickert vor allem im wenig bewirtschafteten Wald einige Zentimeter in den Boden. Wildschweine, die nach Nahrung wühlen, nehmen das langlebige Isotop auf, welches sich anschließend in den Muskeln (sprich im Fleisch) einlagert.
In Bayern, das von der Tschernobyl-Katastrophe ähnlich stark betroffen war wie Österreich, wird jedes erlegte Tier genau untersucht und falls notwendig zur Tierkörperverwertung gebracht. Der geschädigte Jäger erhält vom Staat eine Entschädigung, wenn das Wild verstrahlt war. In Österreich gibt es weder flächendeckende Kontrollen noch Entschädigungen für Jäger, wie man bei der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) einräumt - das radioaktiv belastete Fleisch geht also auf direktem Weg in die Mägen der Konsumenten. Aber: Man müsste schon zwölf Portionen stark belastetes Fleisch essen, um die Menge Strahlung abzubekommen, die man über ein Jahr mit herkömmlicher Nahrung aufnimmt. Bei gelegentlichem Genuss sei die Belastung unbedenklich, hieß es aus der AGES. Im Gesundheitsministerium verweist man auf die stattfindenden stichprobenartigen Kontrollen und die Tatsache, dass jeder Österreicher im Schnitt ein halbes Kilo Wild im Jahr isst, was „trotz gelegentlicher Grenzwertüberschreitungen kein gesundheitliches Problem“ darstelle.
"Verzehr in üblichen Mengen sollte unbedenklich sein"
Bei der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen kennt man die Problematik der noch immer belasteten Nahrungsmittel, gibt jedoch Entwarnung. „Alle Arten von Lebensmitteln werden stichprobenartig untersucht. Es werden weiterhin erhöhte Werte gemessen. Der Verzehr sollte in üblichen Mengen jedoch unbedenklich sein“, erklärt Bezirkshauptmann-Stellvertreter Andreas Grießler nach Rücksprache mit Experten. Auch Bezirksjägermeister Albin Haidl ist sich sicher, dass es durch den Verzehr von Wildbret zu keinen Gesundheitsschäden kommt. Zum Vergleich: Die natürliche Strahlenbelastung in Österreich beträgt etwa drei Millisievert pro Jahr. Isst man ein 250-Gramm Wildschweinsteak, dessen Cäsiumgehalt den Grenzwert um das Zehnfache überschreitet, nimmt man zusätzlich eine Dosis von 0,2 Millisievert auf. Die Waldviertler sind übrigens am stärksten von natürlicher Strahlung betroffen. Hier sind Werte von 10 Millisievert keine Seltenheit. Gefährlich ist dies aber nicht, betont man im Gesundheitsministerium.
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