Theater-Ensemble SpielBAR
Frauenrollen und Hexenbilder
Das Hernalser Ensemble SpielBAR legt den Fokus auf Frauen und Literatur von Frauen. Gründerin Denise Teipel im Gespräch.
Ist das weibliche Geschlecht in der Theater- und Filmwelt unterrepräsentiert?
DENISE TEIPEL: Ich empfinde das schon so. Was gute und komplexe Frauenrollen angeht gibt es definitiv noch viel Luft nach oben. Genauso wie in vielen anderen Positionen im Film- und Theaterbereich. Obwohl gerade einiges im Umbruch begriffen ist und sich da durchaus positive Entwicklungen abzeichnen. Langsam kommen Frauenrollen und Heldinnen zutage, die es so in dieser Form vor ca. 10 Jahren noch nicht gegeben hätte. Ich bin immer wieder erstaunt über die unglaublich verstaubten und plumpen Frauenbilder in Filmen der 80er, 90er und frühen 2000er Jahre mit denen ich aufgewachsen bin, und die ich damals weniger hinterfragt habe. Heute sind diese Frauenbilder- und –darstellungen eigentlich unmöglich geworden, da das Publikum nach stärkeren und komplexeren weiblichen Figuren verlangt. Es tut sich Einiges, aber diese Entwickung muss dennoch bewusst angetrieben werden. Von alleine passiert wenig. Man muss Möglichkeiten schaffen, sich Boden erkämpfen. Können und Selbstbewusstsein sind hier gute Begleiter.
Im Stück „Emigranten“ haben Sie mit Cristina Maria Ablinger zwei Rollen gespielt, die eigentlich für zwei Männer konzipiert waren. Sollen damit bewusst Rollenbilder aufgebrochen werden?
Das war die Idee unserer Regisseurin Agnieszka Salamon, die dieses Stück seit Jahrzehnten begleitet und die den Wunsch hatte, die Geschichte mit Frauen in Männerrollen zu inszenieren. Im Stück haben wir aber bewusst Männer gespielt und das Ganze nicht in eine weibliche Sprachform umgeschrieben, um die Allgemeingültigkeit der Probleme und Konflikte im Stück zu erzählen. Unsere Regisseurin hat sich dann dafür entschieden, uns in kurzen Dirndln und hohen Schuhen spielen zu lassen. Das hat am Anfang vielleicht etwas verstört, wurde aber nach kurzer Zeit vergessen und man ist der Lebensgeschichte dieser beiden Menschen gefolgt, ohne das Geschlecht der beiden Figuren zu hinterfragen. Das Kostüm hat dem Ganzen eine neue Dimension gegeben, Rollenbilder und Stereotype hinterfragt und gleichzeitig ad absurdum geführt.
Am 27. Juni feiert das Stück „Die auf dem Zaun reitet“ Premiere. Darin wird auf die Bedeutung der Hexe in ihrer Symbolik im Hier und Jetzt eingegangen. Wer sind die heutigen Hexen?
Das ist die zentrale Frage, die uns im Stück beschäftigt und die auch in der Recherchephase die treibende Kraft war. Darauf gibt es mehrere Antworten und alle davon sind richtig. Die Symbolik der Hexe steht stark in Verbindung mit der Definition eines Feindbildes, der zustimmenden bzw. zujubelnden Masse und der Entmenschlichung des Individuums. In vielen Bereichen der Gesellschaft kann man das heute beobachten. Die Gemüter erhitzen sich schnell, Meinungen verfestigen sich und der Sündenbock ist meistens schnell gefunden und verurteilt. Uns interessiert die allgemeine Erhitzbarkeit des Volkes und hier finden sich Hexenbilder in verschiedenster Ausprägung.
Die moderne Hexenjagd findet heute meist im Internet statt. Gibt es genug „Waffen“ um diesem standzuhalten?
Das Internet bietet – mittlerweile mehr oder weniger eingeschränkt – den Komfort der Anonymität. Persönlich würden viele Hasskommentare niemals ausgesprochen weren. Es ist ein Raum in dem Frust und Aggresssion abgelassen werden können, und wo man sich herrlich mit vermeintlich Gleichgesinnten echauffieren kann. Das kann von harmloser Entrüstung bis hin zu gefährlichen Netzwerken und Volksverhetzung gehen. Ich denke, dass man hier wachsam sein muss, ohne die Meinungs- und Redefreiheit des Einzelnen zu beschneiden. „Waffen“ wären für mich immer der Dialog, ein Mindestmaß an moralischen und ethischen Grundwerten und der gegenseitige Respekt, der bedingungslos jeder Form von Leben entgegengebracht werden muss. Die Schwierigkeit liegt darin, dies gesamtgesellschaftlich zu vermitteln.
Für das neue Stück wurde auch eine Crowdfounding-Kampagne gestartet. Wird der Kultur zu wenig finanzielle Unterstützung geboten?
Wir arbeiten mit unserem Ensemble in der Freien Szene und da ist die Subventionslage schon eher bescheiden. Dennoch ist es nicht selbstverständlich, dass es überhaupt Förderungen gibt. Ohne staatliche Förderung könnte Kunst und Kultur aber auch gar nicht in dieser Vielfalt, Menge und Qualität produziert werden. In anderen Ländern sieht es da leider durchaus noch magerer aus. In Österreich sind gewisse Bereiche und Institutionen sehr gut subventioniert, in anderen Bereichen fehlt es vorne und hinten, und das hat nicht mit Qualität und Engagement zu tun. Wir würden uns da schon eine gewisse Umverteilung wünschen, auch wenn wir bereits einige kleinere Förderungen erhalten haben. Aber auch hier gilt es dranzubleiben, weiterzumachen und neue Maßstäbe zu setzen. Für dieses Projekt haben wir keine große Projektförderung bekommen und haben uns dann entschieden, das Stück dennoch zu produzieren und mit Crowdfunding zu finanzieren, da uns das Thema so auf der Seele brannte und wir nicht mehr warten wollten. Es war für uns auch ein Experiment um zu sehen, welche Finanzierungsformen es zukünftig für Theater und Kunst im Allgemeinen geben kann. Wir sind sehr froh, die volle Finanzierung aufgestellt zu haben, sind uns dabei aber auch darüber klar geworden, dass es zukünftig nicht ohne staatliche Förderung gehen kann.
Wie viel „Hexenblut“ steckt im SpielBAR Ensemble?
Nicht mehr und nicht weniger als in jedem anderen Menschen. Es gibt bei uns vielleicht eine gewissen beruflich bedingte Offenheit und Bereitschaft sich ganz in dieses Thema zu vertiefen und da passieren schon sehr interessante Dinge.
Woraus setzt sich der Name SpielBAR zusammen?
SpielBAR ist für uns ein Begriff, der alles umfasst, das mit darstellender Kusnt ausgedrückt werden kann. Das ganze Leben ist ein Schauspiel und daher auch spielbar und wir alle spielen eine Rolle darin. Das Leben als göttliche Komödie, als Spiel von Liebe und Zufall oder doch als eine aus Selbstverschulden bald endende menschliche Tragödie...Wir werden es sehen. Das „BAR“ im Namen ist eine Anspielung auf unsere Liebe zum Mikrokosmos der Bar, in dem sich so einiges abspielt und viele Dinge entstehen und vergehen, je nach Uhrzeit und Laune.
SpielBAR Ensemble
Premiere von "Die auf dem Zaun reitet"
am 27. Juni ab 20 Uhr im Werk X (1., Petersplatz 1).
Infos im Internet unter:
www.verein-spielbar.com
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