Architekten retten Bewohner
In 25 Prozent aller Fälle werden Wohnbauprojekte abgelehnt, weil zu wenig auf Menschen Rücksicht genommen wird.
ST. PÖLTEN (wp). “Man kann sich nicht vorstellen, was manche Architekten Menschen im gemeinnützigen Wohnbau als Wohnung zumuten. Wir müssen nicht selten einschreiten und Projekte zurückweisen“, erklärt Franz Sam. Bis zu 25 Prozent der geplanten Genossenschaftsbauten sind davon betroffen, hört man von anderer Seite inoffiziell. „In den letzten Jahrzehnten konnte jeder, also irgendeine Wohnbaugenossenschaft, irgendeinen Wohnbau errichten, ohne großartig auf die Funktionalität zu achten“, so Sam. Auch die Baustoffe sollen nicht immer die besten gewesen sein. „In Zeiten des ökologischen Bauens sind derartige Bausünden nicht mehr möglich. Jetzt wird jedes Projekt geprüft. Früher habe ich auch Menschenverachtendes im Wohnbau gesehen“, erzählt Sam. Dass dies nicht mehr passiert, darauf achtet nicht zuletzt auch der sogenannte Gestaltungsbeirat, der vor fünf Jahren in Niederösterreich ins Leben gerufen wurde. Ein Gremium aus Architekten mit Vetorecht, die auf die Qualität im großvolumigen Wohnbau achten. „Immerhin geht es ja auch um Wohnbaufördergelder, mit denen sorgsam und im Sinne der Steuerzahler umgegangen werden muss“, meint Gestaltungsbeirat Karl Langer. „Günstige und qualitativ sehr gute Wohnungen, in denen sich Menschen wohlfühlen“, ergänzt Langer, „das ist eine Frage des Hirns nicht des Geldes.“ Naturgemäß in leichter Oppositionshaltung zur geäußerten Kritik sind die gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen, deren Chef Ferdinand Rubel ist. Er bestätigt, dass der Gestaltungsbeirat Projekte öfter zurückstellt, stellt ihn aber außer Frage. „Allerdings kommt es manchmal vor, dass es zwischen Architekten im Gestaltungsbeirat und dem ein Projekt einreichenden Architekten Animositäten gibt. Dann werden Projekte zurückgeworfen, die dann nicht oder viel später realisiert werden. Das ist zum Teil problematisch, da die Leute auf den Wohnraum ja warten“, plaudert Rubel aus der Schule.
Zur Sache
2,5 Milliarden € stellt der Bund den Ländern für den gemeinnützigen Wohnbau zur Verfügung, die diese dann projektbezogen an Wohnbauträger verteilen. Der Anteil Niederösterreichs am Finanzkuchen beträgt stattliche 16 bis 19 Prozent. Die Wohnbaugenossenschaften sind in der Regel politischen Parteien nahestehend. Deren Vereins- und Genossenschaftsfunktionäre arbeiten ehrenamtlich.
Nach 35 Jahren ist ein großvolumiger Wohnbau in der Regel entschuldet, danach werden die Einnahmen, also Mieten, für den Erhalt und die Sanierung eingesetzt. Verschiedene Fördermodelle für den gemeinnützigen Wohnbau, etwa 50 an der Zahl, gibt es bereits seit den 1960er Jahren. In Niederösterreich wurden 150.000 bis 180.000 Wohneinheiten gefördert. In jedem Haushalt wohnen im Durchschnitt etwa drei Personen. Die meisten Wohnbauprojekte sind individuell gestaltet.
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