Sie halten nie den Schnabel
Johanna Kniely aus Hietzing ist Ziehmama für Gänseküken
Johanna Kniely aus Hietzing ist Ziehmama für Graugansküken. Der BezirksZeitung hat sie erzählt, was sie dabei alles erlebt.
WIEN/HIETZING/GRÜNAU. "Vor ein paar Tagen sind sie geschlüpft, jetzt laufen sie mir überallhin nach", erzählt Johanna Kniely aus Lainz, die seit kurzem "Ersatzmama" für Graugänse in der Konrad Lorenz Forschungsstelle im oberösterreichischen Almtal ist.
Um das Verhalten der Graugänse genau zu erforschen, werden zahme Tiere gebraucht, die in Handaufzucht an Menschen gewöhnt werden. Dabei macht man sich die Prägung zunutze: jenen Vorgang, bei dem die Gänse in ihrer sensiblen Phase kurz nach dem Schlüpfen auf das geprägt werden, was sie zuerst sehen. Normalerweise sind das die tierischen Eltern – im Falle von Amelie, Floki, Humboldt und Pistazie, wie Kniely ihre gefiederten Schützlinge getauft hat, ist es die 23-jährige Biologie-Studentin.
"Eigentlich sind sie auf die menschliche Gestalt geprägt – schließlich war ich wegen einer Coronainfektion beim Schlüpfen gar nicht dabei, sondern eine Kollegin. Aber weil die Küken Menschen erst nach ein paar Tagen unterscheiden können, hat es trotzdem funktioniert."
Geschnattert wird viel
Seither hat sich Knielys Alltag gelinde gesagt ein bisschen verändert: "Wir stehen beim Sonnenaufgang mit lautem Durcheinanderschnattern alle gemeinsam auf und verbringen den ganzen Tag miteinander. Das heißt, ich gehe voran und sie laufen mir nach – überallhin." So wird gemeinsam hinaus auf die Wiese gegangen und natürlich auch hinunter zum Fluss. Dort zieht sich Kniely dann hohe Gummistiefel an, um mit ihren Gänseküken das Schwimmen zu üben. "Die Kleinen sind so putzig, wenn sie tauchen."
Immer wieder kommen benachbarte Scharen von erwachsenen Gänsen vorbei, die schon seit langem in Grünau leben. Dabei muss Kniely aber stets wachsam bleiben: "Die tun ganz harmlos und schauen uns eine Weile zu – manchmal versuchen die ausgewachsenen Tiere aber, meine Küken zu stehlen." Bisher ging aber alles gut, nicht zuletzt weil Knielys Junggänse unumkehrbar auf ihre menschliche "Mutter" geprägt sind. "Wenn ich sie nur kurz aus den Augen lasse, beschweren sie sich sofort und fangen aufgeregt an zu quieken."
Apropos nachlaufen: Was ist, wenn Kniely einmal ungestört essen will? "Das geht nicht, sie sind immer dabei." Und in der Dusche und auf der Toilette? "Auch dort." Wo schlafen die Kleinen eigentlich? "Ich habe ihnen eine gemütliche Schachtel neben mein Bett gestellt, aber natürlich wollen sie lieber zu mir ins Bett", sagt Kniely und gähnt. "Übrigens halten sie auch in der Nacht nur selten den Schnabel."
Bis die heutigen Küken flügge sind, wird Knielys Handaufzucht voraussichtlich noch bis Juli dauern – was tut man nicht alles für die Wissenschaft. Welche Lehren zieht die Studentin ganz persönlich aus ihrem Gänse-Abenteuer? Kniely denkt kurz nach, dann schmunzelt sie. "Ich möchte unter allen Umständen vermeiden, alleinerziehende Mutter zu werden."
Video: Johanna Kniely
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