DJ Fahrtendienst cruist durch Wien
Jeden Tag führen Christian Lang und Paolo Averara Menschen mit Behinderungen von der Wohnung zum Arbeitsplatz. Langweilig ist es dabei nie.
FAVORITEN. Man hört ihn schon von weitem, als der große Bus um die Ecke biegt. Das liegt aber nicht etwa an einem kaputten Auspuff, sondern an der lauten Musik, die aus seinem Inneren kommt. Als der Bus zum Fototermin bei der Zentrale des ÖHTB am Humboldtplatz stehenbleibt, steigen lauter fröhliche Gesichter aus. Manche werden auch rausgeschoben - mit dem Rollstuhl. Christian und Paolo sind Fahrtendienst-Mitarbeiter des ÖHTB, des gemeinnützigen österreichischen Hilfswerks für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte.
Täglich fahren sie Klienten mit Behinderungen aus einer der vielen sozialen WGs, in denen sie mit ihren Betreuern leben, in eine der neun Tageswerkstätten des ÖHTB, die über ganz Wien verteilt sind. Dort sortieren sie dann - je nach Grad der Behinderung - Industrieprodukte, flechten Körbe, erzeugen Kunsthandwerk oder sind mit Holzarbeiten beschäftigt. „Der Johann ist jeden Tag mein erster Fahrgast, ihn hol’ ich schon um 6.35 Uhr ab. Wenn er die Stiege runterkommt und meinen Bus sieht, fangen seine Augen zum Leuchten an. Bevor er einsteigt, umarmt er mich noch lange - das kann schon ein paar Minuten dauern!“ erzählt Paolo lachend aus dem Arbeitsalltag.
Musik sorgt für gute Laune
Weil die Fahrtendienst-Busse mehrere WGs in unterschiedlichen Bezirken anfahren, dauert die Fahrt oft lange. „Meine Klienten genießen es, wenn sie unterwegs laute Musik hören können. Das ist beruhigend und sorgt für gute Laune - den ganzen Tag lang!“ bemerkt Christian, „oft schauen uns die Leute auf der Straße fassungslos an, weil wir zeitig in der Früh schon so gut drauf sind!“
Gegründet wurde das ÖHTB 1981 von Christa und Peter Heinemann, deren Sohn Michael taubblind geboren wurde. Weil es für Schwerbehinderte damals nur unzureichende Förderungsmöglichkeiten gab, machte man aus der Not eine Tugend: Heute bietet man für alle Menschen mit Sinnes- und Mehrfachbehinderung umfangreiche Dienstleistungen nicht nur in den Bereichen Arbeiten und Wohnen an.
Frühförderung entscheidet
„Besonders wichtig ist die Frühförderung ab dem Säuglingsalter. Man kann sehr viel machen, wenn man nur früh genug damit anfängt“, bemerkt Peter Heinemann mit seinen fast vier Jahrzehnten Erfahrung in der Behindertenbetreuung. „Umgekehrt ist es verantwortungslos, wenn schwerbehinderte Kinder nicht gefördert werden - dem Kind und der Gesellschaft gegenüber. So unterstützt das ÖHTB und unser Fahrtendienst die Allgemeinheit in besonderem Maße, wofür ich mir oft mehr Verständnis vor allem in der Politik wünsche“, fügt er an.
„Ohne unsere Busse würden die Öffis überlastet sein: Ein Rollstuhl im Autobus geht sich aus, aber zehn oder zwölf würden ihn blockieren“, pflichtet ihm Christian bei, während er einer Klientin über die ausklappbare Rollstuhlrampe aus dem Bus hilft. „In der Wartezeit schauen wir uns im Bus oft meine DJ-Videos auf dem Handy an“, erzählt Paolo schmunzelnd, der nebenbei in Diskotheken als DJ tätig ist, „und jetzt wollen auf einmal alle meine Klienten auch DJs werden!“
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