Erich Schleyer: "Wir haben alle ein Blaubartzimmer, das wir nicht öffnen dürfen"

Unheimlich im Wald: Philipp Erasmus, Erich Schleyer und Clemens Sainitzer (v.l.n.r.) | Foto: Ernest Jauck/Philipp Erasmus
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WIEN. Der Schauspieler Erich Schleyer ist der breiten Öffentlichkeit vor allem als Geschichtenerzähler bekannt. Nun erzählt der Künstler im Theater in der Josefstadt mit seinem neuen Programm "Wer hat Angst vorm bösen Wolf?" Märchen der Brüder Grimm. Doch nicht an Kinder richtet sich das Stück mit Musikuntermalung, sondern an die Erwachsenen, denn Schleyer greift in seinem Programm zu den Märchen in der Urfassung.

Wodurch unterscheiden sich die Originaltexte von den gängigen Kinder- und Hausmärchen?
ERICH SCHLEYER:
Die Märchen in der Originalfassung waren nicht für Kinder gedacht. Sie waren erotisch und voller sexueller Anspielungen. Nachträglich wurden die Texte für die Kinder entschärft. Rotkäppchen zum Beispiel zieht sich im Original nackt aus und legt sich zum Wolf ins Bett. Das ist übrigens das männerfeindlichste Märchen. Der Wolf steht für den Mann als Vergewaltiger und wird lächerlich gemacht, indem man ihn mit den Steinen im Bauch künstlich schwanger macht.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese originalen Märchen zu erzählen?
Ich habe mich schon lange damit beschäftigt und auch bei meinen Kindervorführungen den einen oder anderen Seitenhieb für die Elternzuschauer gemacht. Natürlich so, dass es die Kinder nicht verstanden. Heute ist alles so süßlich. Alles ist gut, wenn Carmen Nebel eine Show moderiert - Märchen stehen dagegen in Beziehung zu unserer Welt.

Inwiefern?
Sie handeln von Vertriebenen, von Flüchtlingen und haben eine Bedeutung. Elias Canetti hat gesagt, dass uns ein genaueres Studium der Märchen darüber belehren würde, wie es in der Welt zugeht.

Woher stammt Ihre Liebe zu Märchen? Hat Ihnen Ihre Oma als Kind vorgelesen?
Es gab keine Oma, nach dem Krieg waren alle tot. Ich hatte nur ein Märchenbuch, in dem sich die Grimm Märchen und Till Eulenspiegel befanden. Als 5-Jähriger habe ich für andere Kinder diese Geschichten mit Kasperlpuppen gespielt und mich hineingesteigert.

So wie jetzt.
Wer erzählt und wer zuhört, ist nicht alleine. Wer erzählt, hat eine soziale Funktion.

Welches war ihr Lieblingsmärchen als Kind?
Hänsel und Gretel - diese Angst, als sie in den Wald hineingeschickt wurden...

Bei welchem haben Sie sich am meisten geängstigt?
Der Wolf und die sieben jungen Geißlein, weil ich nie wußte, wo ich mich verstecken kann, um sicher zu sein!

Sind Märchen nicht grausam?

Sie sind nicht grausam, es geht sehr viel ums Essen. Das ist auf die großen Hungersnöte zurückzuführen. Im 10. Jahrhundert gab es eine ganz große Hungersnot. Die Menschen hatten viele Kinder und ein Baby in der Familie wurde besonders gefüttert. Das wurde dann geschlachtet, gekocht und gegessen. In den Märchen wird diese Thematik aufgegriffen. Wie bei Hänsel und Gretel - die Hexe mästet Hänsel, um ihn zu essen.

Wie aktuell sind Märchen?
Wenn Sie eine Familie haben, die Einbrecher sind, wird das Jugendamt kommen und Sie ihren Eltern wegnehmen. Sie kommen dann ins Heim, lernen dort einen Mann kennen und werden von ihm schwanger. Mit Bekanntwerden der Schwangerschaft werden Sie verstoßen - wenn man zum Beispiel in die Türkei blickt, wo aus diesem Grund manchmal noch Morde in Familien geschehen, aktuell. Was ich Ihnen jetzt erzählt habe, ist Rapunzel. Der Vater stiehlt die Rapunzeln, die Fee nimmt ihm daraufhin das Kind weg. Als Rapunzel in die Pubertät kommt, empfängt sie nachts den Königssohn in ihrem Turm zu nächtlichen Vergnügungen. Als Rapunzel schwanger wird, verstößt sie die Fee.

Jacob und Wilhelm Grimm haben die Märchen nicht erfunden, sondern gesammelt. Woher?
Sie hatten vierzig Zuträger, meist aus dem Hessischen in Deutschland. Aber auch viele Hugenotten, die aus Frankreich geflüchtet sind, haben ihnen diese Geschichten erzählt. Teilweise sind die Märchen sehr alt, Rumpelstilzchen etwa 5.000 Jahre. Man kennt die Märchen in der ganzen Welt, die drei bekanntesten Bücher weltweit sind Bibel, Koran und Grimms Märchen. Sie spielen hauptsächlich im Dreißigjährigen Krieg und handeln oft von Angst der Menschen vor der Natur.

Welches fällt Ihnen da spontan ein?
Der Froschkönig - da geht es um die Angst der Menschen zur damaligen Zeit vor den Naturkräften. Am Ende ist der Frosch ein Guter, man wollte so die Angst vor der Natur nehmen. Märchen gaben aber auch Hoffnung. Es war die Zeit der Leibeigenschaft und in den Texten konnte ein Bauernjunge König werden. Das gab Kraft: Wir können selber etwas verändern durch unsere Taten.

Wieso sind Märchen heute noch für Kinder im digitalen Zeitalter interessant?
Weil jedes Kind Prozesse durchmachen und mit Ängsten zurecht kommen muss. Ich bin aber nicht für die Deutung da.

Ihr Stück klingt nach harter Kost.
Nein! Es geht auch heiter zu, ich gebe Parodien wie etwa Grünkäppchen. Es ist eine ernst-heitere Reise in unsere dunkle Seele.

Haben wir eine dunkle Seele?
Die haben wir alle. Kennen Sie den Film "Die Welle"? Da sieht man, wie leicht es geht. Wir müssen Gut und Böse in Balance halten, haben aber alle ein Blaubartzimmer in uns, das wir nicht öffnen dürfen.

Haben Märchen eine pädagogische Wirkung?
Eine schwarze Pädagogik. Kennen Sie "Das garstige Mädchen"? Das war so garstig, dass Gott es zu sich geholt hat. Nachdem es begraben war, hat es einen Arm aus dem Grab gestreckt. Man verdeckte ihn mit Erde, aber er kam immer wieder durch. Erst als die Mutter mit einer Rute kam und auf das Ärmchen schlägt, findet das Kind seine Ruhe. Das ist schwarze Pädagogik.

Welches Märchen gefällt Ihnen als Erwachsener am besten?
Das kann ich nicht sagen. Vielleicht die Leberwurst und die Blutwurst. Die Leberwurst geht zur Blutwurst zum Essen und erlebt dort grauenhafte Dinge. Als sie fliehen kann, blickt sie zurück und sieht die Blutwurst mit einem Messer in der Hand stehen. Diese sagt: "Hätt´ich dich, so wollt´ich dich." Dieser Satz ist hoch philosophisch.

Mit welcher Märchenfigur können Sie sich identifizieren?
Am ehesten noch mit Till Eulenspiegel.

Zur Sache

"Wer hat Angst vorm bösen Wolf?" mit Erich Schleyer ist vom 21. bis 26. Februar auf der Probebühne im Theater in der Josefstadt zu sehen. Schleyer erzählt insgesamt 12 Stücke. Karten um 25 Euro auf www.josefstadt.org erhältlich.

Unheimlich im Wald: Philipp Erasmus, Erich Schleyer und Clemens Sainitzer (v.l.n.r.) | Foto: Ernest Jauck/Philipp Erasmus
Erich Schleyer (Mitte) mit dem kammermusikalischen Duo "Sans Mus", das mit Cello und Gitarre für die perfekte Untermalung der Märchen sorgt. | Foto: Ernest Jauck/Philipp Erasmus
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