Josef Hader: "Wahrscheinlich muss ich aus der Kirche austreten, um in den Himmel zu kommen."
Der Kabarettist und Schauspieler spricht über seinen neuen Film "Das ewige Leben", seine Jugendsünden und sein Verhältnis zu Gott.
Die Hauptperson Brenner ist in Ihrem neuen Film in einer finanziell prekären Lage. Waren Sie auch schon einmal in so einer Situation?
JOSEF HADER: "Nein, weil ich nach dem katholischen Internat, als ich nach Wien gekommen bin, eigentlich mit ganz wenig Geld auskommen konnte."
Wie viel haben Sie denn ausgegeben?
"Ich glaube, ich habe damals von 3.000 Schilling im Monat gelebt. Meine Zimmer-Küche-Wohnung hat 700 Schilling gekostet und wenn ich ausgegangen bin, habe ich nicht viel getrunken. Ich habe immer im Luxus gelebt, weil ich mehr Geld gehabt habe, als ich gebraucht habe. Das kann auch damit zu tun haben, dass ich vom Land komme. Das muss nicht immer mit dem katholischen Internat zusammenhängen."
Was war dann das Schlimmste, das Sie je für Geld gemacht haben?
"Was richtig Schlimmes für Geld habe ich eigentlich nie gemacht, einfach weil ich es nicht notwendig gehabt habe. Ich habe schon während dem Studium begonnen, Kabarett zu spielen. Und im Sommer habe ich als Nachrichten- und Sportredakteur für ein Urlauberradio in Italien gearbeitet. Das heißt, ich habe immer feine Jobs gefunden."
"Partys mit billigem Wein"
Im Film wird Brenner von seinen Jugendsünden eingeholt. Verraten Sie uns eine Ihrer Jugendsünden?
"Mit Jugendsünden ist es bei mir so fad, weil ich im katholischen Internat war. Da waren die Höhepunkte, dass wir uns nach Schulschluss am Blitzableiter abgeseilt haben, um dann ins Wirtshaus zu gehen. Oder wir haben eine Party veranstaltet mit ganz billigem Wein vom Supermarkt und sind dann auf der Wiese eingeschlafen und die anderen Schüler haben uns gefunden. Aber es ist alles sehr harmlos und sehr, sehr brav gewesen."
Bereuen Sie das?
"Nein, ich habe alle Jugendsünden später nachgeholt. Ich habe das nur eher nach der Jugend veranstaltet."
Und was war da das Schlimmste?
"Oje, da habe ich auch einen sehr katholischen Reflex, denn ich denke an die Beichte. Mit zwölf Jahren bin ich nicht mehr zur Beichte gegangen. Aber ich habe mir vorgenommen, dass ich nicht mit Journalisten mache, was ich mit dem Pfarrer nicht machen wollte."
In Ihrer Biografie steht, dass wegen wiederholten Lügens mehrere Briefe an Ihre Eltern geschrieben wurden. Weswegen haben Sie denn gelogen?
"Naja, eigentlich habe ich nicht gelogen. Ich habe mich ständig rausgeredet. Ich habe so Sachen gesagt wie 'Ich hab das vergessen, weil so und so'. Ich habe immer versucht, Konflikte zu vermeiden. Ich war einfach sehr feig."
Sind Sie das immer noch?
"Ja, in gewisser Weise. Aber gleichzeitig gibt es da in mir so eine Gegenbewegung, wo ich versuche, mich zu fordern. Wahrscheinlich traue ich mich mehr auf der Bühne als privat. Ich bin in bestimmten Bereichen immer noch sehr ängstlich, was aber nicht schlecht ist, weil Angst ein großer Freund ist. Wenn man Angst hat, ob etwas gut wird, strengt man sich sehr an. Oder wenn man Angst hat, dass man irgendwo herunterfällt, klettert man sehr vorsichtig hoch."
Sie haben ja auch immer noch Lampenfieber vor Auftritten. Ist dann Ihr Beruf nicht eine große Belastung?
"Nein, ich versuche, das Lampenfieber so zu genießen wie eine Art von Kick. Nachdem ich keine Drogen nehme, habe ich beschlossen, dass ich Lampenfieber als Droge verwende."
Ihr Geheimrezept gegen Lampenfieber ist es, die Brille abzunehmen. Warum?
„Bei Fernsehauftritten bin ich besonders nervös, denn das Publikum ist total ausgeleuchtet. Da sehe ich einzelne Gesichter, was ich normalerweise nicht tue. Dann lacht einer nicht und dort bleibt man immer hängen, bis er endlich lacht. Wenn man die Brille abnimmt, ist das herrlich. Ich habe 2,5 Dioptrien und ich sehe dann keine Gesichter mehr.“
Das ganze Publikum ist also eine graue Masse.
"Das ganze Publikum ist etwas, das man nicht sieht, und man spürt trotzdem immer, was gerade los ist. Man weiß immer, ob eine Stille gerade deswegen ist, weil die Leute betroffen oder aufmerksam sind oder weil ihnen fad ist. Das kann man immer sofort einschätzen. Und komischerweise kann man dadurch, dass man die Leute nicht sieht, die Gesamtheit des Publikums wahrnehmen. Man ist den Leuten näher, wenn man sie nicht sieht."
"Ich improvisiere, aber nur ein bissl"
Können Sie spontan auf diese Emotionen des Publikums reagieren oder bleiben Sie immer strikt in Ihrer Rolle?
"Bei mir ist es so, dass ich im Kabarett schon improvisiere, aber nicht zu viel, sondern nur so ein bissl. Oft geht es darum, dass man eine Art Spontaneität für sich herstellt, damit man die Texte, die man dauernd jeden Abend spricht, auch mit dieser Spontaneität sprechen kann."
Damit man alles nicht einfach herunterleiert.
"Genau. Es ist ganz wichtig, dass man den Abend so erzählt, als wäre es das erste Mal, als ob einem die Dinge erst einfallen würden. Die Leute spüren aus dem Bauch heraus, da brauchen sie gar nicht gescheit sein, ob du die Vorstellung gerade mit ihnen erlebst oder ob du den Text runterhaust. Da kannst du noch so gut sein."
Gelingt Ihnen das immer?
"Ja, absolut. Weil ich das gar nicht anders kann. Ich könnte nie gelangweilt eine Vorstellung spielen, weil es für mich total fad wäre. Es ist auch ein Selbstschutz, damit ich Freude mit meinem Beruf habe. Darum habe ich mir das nie, nie, nie angewöhnt."
Was ist mehr Herzensangelegenheit: Kabarett oder Film?
"Kabarett ist das, was ich größtenteils mache. Film ist immer so ein Ausflug, darum ist Film für mich natürlich viel interessanter, weil man immer das mehr gern hat, was man weniger macht. Kabarett ist so etwas Einsames und du kannst alle Entscheidungen selber treffen, Film ist mit vielen Leuten zusammenzuarbeiten. Ich bin überzeugt, wenn ich immer Film machen würde, würde ich Kabarett irrsinnig toll finden. Also diese Unabhängigkeit. So ist es aber so, dass ich Kabarett auch toll finde, aber dass die Ausflüge zum Film immer etwas ganz Besonderes sind."
In einem Interview im Jahr 2010 haben Sie gesagt, Sie seien aus Rücksicht auf Ihre Mutter noch bei der Kirche und wollen noch einen Papst abwarten. Wie sieht es jetzt, fünf Jahre und einen Papst später, aus?
"Sehr gemischt. Zuerst habe ich mir gedacht, ich könnte ja bei dem Verein bleiben, so als Mitglied außer Konkurrenz, denn gläubig bin ich ja nicht. Ich denke, letztendlich muss ich wahrscheinlich austreten, um in den Himmel zu kommen, weil Gott würde das nicht gut finden, wenn ich dabei bin, aber in wesentlichen Punkten nicht übereinstimme. Aber schau ma mal. Bis der letzte Neffe gefirmt ist."
Jetzt steht fest, dass die Wien-Wahl am 11. Oktober stattfinden wird. Was hoffen beziehungsweise befürchten Sie, wird da passieren?
"Ich befürchte gar nichts. Vor einer demokratischen Wahl darf man keine Angst haben. Ich finde es gut, dass grundsätzlich Legislaturperioden nicht vorzeitig beendet werden. Eine Wahlvorverlegung sollte im Vorhinein schon einen schlechten Ruf haben, finde ich, weil es einfach unnötig ist. Es gibt Termine. Wenn ich zum Zahnarzt gehe, kann ich auch nicht drei Tage früher kommen. Warum kann ein Politiker ständig sagen, wir wählen doch nicht im Herbst, sondern schon im Frühjahr?"
Erhoffen Sie sich etwas?
"Ich erhoffe mir, dass die Politiker gewählt werden, die Dinge versprechen, die seriös sind. Und dass nicht die belohnt werden, die entweder das Blaue vom Himmel versprechen oder alles schlecht machen, was gar nicht so schlecht ist."
Gibt es in Österreich einen Politiker, den Sie bewundern?
"Ich bin überzeugt davon, dass es Politiker in Österreich gibt, die man bewundern könnte, aber ich weiß wirklich niemanden, den ich so gut kenne, dass man ihn bewundern kann. Es gibt manche, die gefallen mir besser, und manche, die gefallen mir weniger gut. Ich glaube, es ist schwierig, als Politiker jemand zu sein, der bewundert wird, weil Politiker immer von Kompromissen leben. Aber das ist keine Ausrede dafür, wie manche Politiker bei uns einen Slalomkurs hinlegen. Das finde ich schade."
Zum Film "Das ewige Leben"
Kabarettist und Schauspieler Josef Hader (53) ist ab 5. März in seiner Rolle als Privatdetektiv Brenner im Kino zu sehen. „Das ewige Leben“ basiert auf einem Roman von Wolf Haas und beschäftigt sich mit Brenners Vergangenheit. Mit von der Partie sind auch Tobias Moretti und Roland Düringer.
Hier können Sie den Trailer anschauen:
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