Anton-Krieger-Gasse
Schüler wehren sich gegen Abschiebung
Schüler des Oberstufenrealgymnasiums Anton Krieger Gasse in Liesing haben sich verzweifelt an die Volkshilfe Wien gewandt, um ihren Offenen Brief an Innenminister Nehammer zu unterstützen.
WIEN/LIESING. Die Schüler des Oberstufenrealgymnasiums Anton Krieger Gasse wehren sich gegen eine drohende Abschiebung einer Mitschülerin. Ajla, die seit fünf Jahren in Österreich lebt, soll unser Land verlassen. Aus diesem Grund haben sie gemeinsam einen offenen Brief an Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) verfasst.
Hier der Brief im Wortlaut
Sehr geehrter Herr Innenminister Karl Nehammer!
Wir, die Schüler*innen der Klasse 7D, aus dem Oberstufenrealgymnasium Anton-Krieger-Gasse haben ein dringendes Anliegen.
Unsere Mitschülerin und gute Freundin Ajla befindet sich in einer Lage, die keines Menschen würdig ist; Ajla ist 18 Jahre alt und lebt seit fünf Jahren in Österreich. Sie lebt gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester, ihrem Bruder und ihren Eltern in Wien. Seit fünf Jahren besucht sie das österreichische Schulsystem: Sie besuchte zwei Jahre die NMS und ist momentan in ihrem vierten Jahr an der Anton-Krieger-Gasse. Im Laufe ihrer Schulzeit hat sie sich als außerordentlich engagiert bewiesen. Die Matura, auf die sie hart hinarbeitet, steht nächstes Jahr an.
Tragischer Weise verwehrt der österreichische Staat ihr die Möglichkeit auf diesen Schulabschluss. Denn schon Mitte Dezember dieses Jahres soll sie ihr Zuhause verlassen.
Die Vorgeschichte lautet folgendermaßen: Vor acht Jahren ist Ajlas Vater nach Österreich eingewandert, um zu arbeiten, da die Arbeitsverhältnisse in Serbien von Korruption geprägt sind. Trotz gesundheitlicher Probleme war er stets berufstätig. Er wurde wegen bestimmten Handlungen verurteilt, welche er aus Motivation, um seiner Familie bessere Lebensumstände zu bieten, tat. Das Fehlverhalten des Vaters wird von uns nicht beschönigt oder geringgeachtet, er hätte sich gewiss an die Gesetze halten sollen. Dafür soll aber nun die ganze Familie zurück nach Serbien geschickt werden. Hierbei liegt eine Form der Kollektivbestrafung vor. Ajla ist volljährig, daher sollte sie nicht für die Handlungen ihres Vaters zur Rechenschaft gezogen werden.
Im Oktober dieses Jahres hat Ajla einen Abschiebungsbescheid bekommen.
Ajla hat sich vorbildhaft und mit voller Motivation integriert, sowohl schulisch als auch sozial. Die deutsche Sprache hat sie in kürzester Zeit einwandfrei zu beherrschen gelernt – auf Deutschschularbeiten schreibt sie öfters bessere Noten als Schüler*innen mit Deutsch als Muttersprache. Auch in anderen Fächern ist sie aufgrund ihres Ehrgeizes Klassenbeste. Es ist zu erwarten, dass sie auch in Zukunft eine Bereicherung für unsere Gesellschaft sein wird – wenn Sie ihr die Chance dafür (nur) nicht nehmen. Jeder Mensch hat ein Recht (gemäß Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948) auf Bildung, man darf es Ajla nicht entziehen. Mittlerweile besucht sie die Schule in Österreich schon fast so viele Jahre wie in Serbien. Ihren Berufswunsch, als Sozialarbeiterin Mitmenschen zu helfen, kann sie nur verwirklichen, wenn sie hier weiterhin wohnen darf. Wenn sie das Land verlässt, wird ein Einreiseverbot verhängt, wonach es ihr nicht möglich wäre, die Schule in Österreich - ihrem Zuhause - abzuschließen.
Unverständlicherweise hat im Verfahren keines der entscheidenden Organe sich zu Ajla selbst und zu dem Zustand ihrer weitreichenden Integration in die österreichische Gesellschaft einen persönlichen Eindruck verschafft.
Die Kinderrechtskonvention der Österreich beigetreten ist, wurde im Verfahren auch nicht gebührlich beachtet. Eines der Grundrechte der Konvention lautet Recht auf Bildung und Ausbildung. Da Ajla während des Großteils des Verfahrens noch minderjährig war, hätte dieses Grundrecht auch bei der Entscheidung des Abschiebungsbescheides berücksichtigt werden müssen. Das war unseres Erachtens klar gegen das Grundrecht dieser Konvention.
Als Innenminister scheinen Sie die letzte Instanz zu sein, um hier ein wertvolles junges Mitglied unserer Gesellschaft vor einer Abschiebung nach Serbien schützen zu können. Wir möchten an Sie appellieren, die Interessen von Ajla zu schützen und die Abschiebung auszusetzen. Auch das im Bescheid ausgesprochene Verbot, drei Jahre lang nicht nach Österreich einreisen zu dürfen, scheint unverhältnismäßig und ungerecht.
Der Anlass hat Grund zur Eile, da sie nur noch bis Mitte Dezember dieses Jahres in Österreich bleiben kann. Österreich sollte kein Land der Abschiebung, Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit sein, sondern dafür stehen, was wir auch in der Schule vermittelt bekommen: für Chancengleichheit, Respekt und Achtung der Menschenwürde.
Wir, die Klasse 7D und die gesamte Schule, ersuchen Sie, Herr Innenminister Karl Nehammer, Ajla das humanitäre Bleiberecht zu gewähren.
Wir hoffen auf eine positive Rückmeldung! Vielen Dank im Vorhinein!
Mit freundlichen Grüßen,
Schüler*innen der 7D
Zahlreiche Unterstützer
Für den Verbleib der hochmotivierten Schülerin, die nächstes Jahr maturiert, engagieren sich sehr viele Menschen:
„"Das Wohl eines Kindes ist unantastbar. Egal ob es Peppi, Sarah oder Mohammed heißt."“, stellt der Präsident der Volkshilfe Wien, Michael Häupl klar und betont: „Kinderabschiebungen sind absolute Grauslichkeiten, die es sofort abzustellen gilt. Besonders in Zeiten einer Pandemie sollte die Politik andere Prioritäten setzen als gut integrierte Kinder außer Landes zu schaffen", stellt Häupl klar.
„Es ist einfach inakzeptabel, dass Schüler*innen aus ihrem Umfeld gerissen werden, ihre Freund*innen und ihre Bildungschancen verlieren"“, so Tanja Wehsely, Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien.
„Kinder und Jugendliche, die hier leben, in die Schule gehen, ihre Ausbildung machen sind von hier – ohne Wenn und Aber. Besonders der Fall von Ajla, die nach der Matura eine Ausbildung als Sozialarbeiterin machen will, ein Job, der mehr als gefragt ist, auch bei uns in der Volkshilfe Wien, lässt mein Unverständnis für die Abschiebepolitik der Bundesregierung weiter anwachsen, und dagegen protestieren", schließt Wehsely.
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