Corona-Krise
"Eine Tagesstruktur festlegen ist wichtig"

Ewald Prochiner von der Psychosozial-Beratung "Push It" in Neuhofen. | Foto: Prochiner
  • Ewald Prochiner von der Psychosozial-Beratung "Push It" in Neuhofen.
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Psychotherapeut Ewald Prochiner von "Push It" in Neuhofen über die seelischen Auswirkungen der Corona-Krise und über Strategien wie man diese am Besten verarbeitet.

Haben Klienten in der Corona-Krise mehr Bedarf nach Zuspruch?
Prochiner:
Die sozialen Kontakte sind in der aktuellen Phase stark reduziert. Das fördert erst recht das Bedürfnis nach sozialer Nähe und Austausch. Dies kann und soll aber derzeit physisch nicht stattfinden, darum hilft uns die moderne Technik heutiger Zeit. Mehr denn je können Kommunikationsmittel wie Telefon und neuerdings auch Videomeetings genutzt werden. Sogar für Familienfeiern ist dieses Medium einsetzbar, wobei es eine Ausnahme für das Pandemiejahr 2020 bleiben soll. Persönliche soziale Kontakte sind der Kern unseres Menschseins und müssen so bald wie möglich wieder gepflegt werden.

Wie hat sich das Betreuungsangebot aufgrund von Corona verändert?
Wie schon bei der Feststellung, dass der Austausch mit Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen aktuell sehr häufig über elektronische Kommunikationswege ablaufen muss, so hat sich auch das Beratungs- und Betreuungsangebot auf diese Kommunikationsform hin verlagert. Sehr viele psychologische Berater*innen, Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen stellen ihr Beratungsangebot auch per Telefon oder Videokonferenz zur Verfügung. Auch wenn die elektronische Kommunikation auf den ersten Blick unpersönlicher erscheint als wenn man sich für ein Gespräch gegenüber sitzt, hat diese Kommunikationsform den Vorteil, dass Hürden vor der Inanspruchnahme leichter überwunden werden, da man sich nicht auf den Weg zu einer Beratungsstelle machen muss, sondern einfach per Email, Telefon und Video in Austausch tritt.

Was hilft gegen die schlechte Stimmung in der Corona Krise?
Allein die Tatsache über das Bewusstsein, dass es eine Ausgangsbeschränkung gibt, die politisch verordnet wird und damit erhebliche Einschränkungen in der persönlichen Freiheit zur Folge hat, trifft Österreicherinnen und Österreicher in unseren freiheitsliebenden Gewohnheiten hart. Es fühlt sich eigenartig an, zum Teil „fremdbestimmt“ zu werden, auch wenn ein gesunder Hausverstand uns sagt „ja es muss nun mal sein“! Sich bewusst zu machen, dass eine konsequente Einhaltung der Maßnahmen wieder zur Freiheit führen, kann schon gegen „schlechte Stimmung“ helfen. Dennoch braucht es ganz persönliche Maßnahmen gegen schlechte Stimmung aufgrund der ungewöhnlichen Lebenssituation.

Belastung für Familien

Für Familien sowie alleinlebende Menschen stellt die aktuelle Situation eine enorme Herausforderung für den Alltag dar. Für beide Bereiche ist sie unterschiedlich, aber um nichts weniger belastend. Familien müssen durch Homeoffice, Schulschließungen und unter Umständen sogar Quarantäne ihre verfügbaren Räume für das Zusammenleben vielseitig verwenden und neu organisieren. So müssen plötzlich auf wenigen Quadratmetern Arbeitsplatz, Schule, Freizeit, Vereinsleben, Wellness, Verwandtschafts- und Freundschaftspflege und einfach Familie Platz finden. Das sorgt für unter Umständen für heftige Spannungen, welche bisher nicht bekannt waren.
Aber auch für Singles ist die aktuelle Lebenssituation im Land eine zusätzliche schwierige Phase, insbesondere wenn das „Alleine sein“ erst kurzfristig eingetreten ist und es noch keine Erfahrung mit dieser Lebensform gibt. Besonders hart trifft dies Menschen nach Trennungen von ihren wichtigsten Bezugspersonen aus den verschiedensten Gründen.

Gibt es Tipps und Strategien?
Als erstes ist es hilfreich, der aktuellen Situation ohne Gedanken eines Widerstandes entgegen zu sehen und die Dinge so zu nehmen wie sie sind. Ein Bewusstsein über die Notwendigkeit der Einschränkungen und die Möglichkeit selbstständig die beschwerliche Lebenssituation durch sorgsames Verhalten zu verkürzen, kann helfen die Lage leichter zu ertragen.Es ist wichtig aktuelle Nachrichte zu verfolgen, schon alleine um über mögliche Gefahren und Maßnahmen informiert zu sein, aber nehmen Sie Abstand von einer Überfrachtung an Informationen über bedrückende Themen. Wählen Sie genau aus wann und in welchem Umfang sie sich informieren.

Tagesstruktur wichtig

Unabhängig davon ob Sie in einer Großfamilie oder alleine leben, schaffen Sie eine klare Tagesstruktur. Für Kinder sind nachvollziehbare Einteilungen des Tages sehr wichtig, aber auch für Erwachsenen kann es hilfreich sein sich an einem Tagesplan zu orientieren.
Durch Homeoffice und Ausgangsbeschränkungen fehlt ein Teil gewohnter Strukturen. Das kann sogar dazu führen weniger produktiv zu sein, obwohl mehr Zeit als üblich zur Verfügung steht.
Alle Einschränkungen, welche die Regierung für die Bewältigung der Pandemie verordnet hat, müssen befolgt werden. Im Gegenzug dazu, sollten aber auch alle erlaubten Freiheiten unbedingt genützt werden. Gehen Sie raus, bevor Ihnen sprichwörtlich die Decke auf den Kopf fällt. Unter Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen ist das eine wirksame Möglichkeit der Enge der eigenen vier Wände ein Stückweit entgegen zu wirken.


Gemütliche Atmosphäre zu Hause hilft

Sorgen Sie für eine gemütliche Atmosphäre mit angenehmem Licht und Musik. Gönnen Sie sich kulinarische Freuden einerseits mit der persönlichen Lieblingsspeise, aber auch mit dem Entdecken neuer Gerichte. Mit Maß und Ziel spricht auch nichts gegen ein Glas flüssiger Gaumenfreuden. Wichtig ist, dass es mit dem Bewusstsein für Genuss konsumiert wird und nicht einfach nur „Ernährung“ darstellt. Nützen Sie moderne Medien wie Videochat und andere elektronische Kommunikationswege. Einfach mal wieder den Rufnummernspeicher des Handys durchsuchen, bestimmt finden sich darin Kontakte zu Menschen, mit welchen man schon lange keinen Kontakt mehr hatte – und „die man eigentlich immer schon wieder mal anrufen wollte“.

Brettspiel bis Puzzle

Auch ganz oldschool wieder mal einen echten Brief auf Papier zu schreiben hat einen besonderen Charme und kann ein schöner Zeitvertreib sein. Darüber hinaus stellt es eine sehr persönliche Note einer Kontaktaufnahme zu nahestehenden Personen dar.
Familien könnten wieder verstärkt auf die gemeinsame Beschäftigung mit Gesellschaftsspielen setzen. Das ist unterhaltsam und bringt alle Familienmitglieder zusammen.
Beschäftigungen abseits von Handy und Fernseher, wie zum Beispiel ein Puzzle legen, sind heutzutage vielleicht schon selten geworden und können eine gute Abwechslung sein.
Es gibt viele und vor allem sehr individuelle Möglichkeiten und Varianten, die Ausnahmesituation gut zu überbrücken. Wesentlich ist dabei, sehr auf die eigene innere Stimme zu hören und den sehr persönlichen Bedürfnissen Raum zugeben. Natürlich nur soweit diese mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie vertretbar sind, aber dennoch in einem Ausmaß, dass es dem eigenen Wohlbefinden nützlich ist.


Hilfe suchen

Wenn alle Ideen zu einem halbwegs beschwerdefreien Überstehen der einschränkenden Lebenssituation nicht hilfreich sind, die Stimmung gedrückt und die psychische Belastung immer größer wird, dann sprechen Sie mit Ihnen vertrauten Menschen darüber. Nützen Sie verschiedene Beratungsangebote. Diese werden telefonisch, zum Teil per Videokonferenz und wenn möglich auch in einem persönlichen Zusammentreffen angeboten.
Nehmen Sie Kontakt zu Ärzten, Psychotherapeuten und psychologischen Beratertenn auf. Haben Sie keine Scheu und nehmen Sie die zahlreichen Beratungs- und Unterstützungsangebote in Anspruch, es wird Ihnen geholfen.
Mehr Infos gibt es hier

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