Gewaltprävention an der NMS 22
Konflikte lösen ohne Schüler zu bestrafen
Die Dr. Ernst Koref Schule setzt bei der Gewaltprävention auf Deeskalation und Einsicht der Schüler.
LINZ. Eine Schülerin rammt in der Pause einem Klassenkollegin den Ellbogen ins Gesicht. Die Lehrerin bringt den Schüler sofort zur Ärztin, sie selbst eilt zur Direktorin. Nach kurzer Besprechung steht fest: Das Mädchen hat zunächst keine Konsequenzen zu befürchten. Wie das, werden Sie sich nun fragen?
"Bild der Autorität hat sich geändert"
In der NMS 22, der Dr. Ernst Koref Schule am Bindermichl wird seit 2011 auf das Konzept der „Neuen Autorität“ gesetzt, ein Konzept des israelischen Psychologen Haim Omer. „Das Bild der Autorität hat sich geändert. Früher hatten Politiker, Polizei oder Ärzte ganz natürliche Autorität. Heute holt man sich von einem weiteren Arzt eine Zweitmeinung. Auch Lehrer und Eltern haben nicht mehr dieselbe Autorität wie früher“, sagt Wolfgang Kitzmantel, der als Betreuungslehrer an Einführung und Umsetzung in der Neuen Mittelschule maßgeblich beteiligt war und ist.
"Zeit ist unser Freund"
Kommt es in der Schule zu verbaler oder körperlicher Gewalt heißt es dort zumeist „Zeit ist unser Freund“. Lehrer können dort Vorfälle wie den oben genannten an ein sogenanntes „Lehrer-Unterstützungsteam“ weitergeben. Sie selbst verfassen – als einzige Massnahme – ein kurzes schriftliches Meldeprotokoll. "Das Konzept hat in den Fällen von Gewalt eine Deeskalation an unserer Schule gebracht. Es ist hilfreich, dass nicht sofort reagiert wird, sondern die Gemüter zuerst abkühlen können. Wichtig ist, dass beide Seiten angehört und vorschnelle Entscheidungen vermieden werden", so Direktorin Ingrid Dangl. Die Maßnahme ist nicht verpflichtend.
Aufrichtige Entschuldigung
Ein Anruf bei den Eltern erfolgt ausschließlich durch das Unterstützungsteam, dass aus je vier Personen besteht. Die Erziehungsberechtigten werden nicht in die Schule bestellt, sondern lediglich über das Fehlverhalten ihres Kindes informiert. Einige Tage später folgt ein Schülergespräch, wo versucht wird eine gemeinsame Lösung zu finden. „Wir unterstützen dich dabei, dein Verhalten in solchen Situationen zu verändern“ oder „Wir wollen eine friedliche Schule. Friedlich heißt nicht konfliktfrei. Wir bearbeiten Konflikte ohne Gewalt“, so mögliche Satz, die im Zuge des Gesprächs fallen könnten. Am Ende gilt es für die betroffenen Schüler eine passende Wiedergutmachung zu finden. Auch eine aufrichtige Entschuldigung wird von den Kindern und Jugendlichen verlangt.
15 bis 20 Fälle im Jahr
Die Konfliktkultur wird auch im Schulalltag gelebt. Jedes Jahr basteln die Schüler der dritten Klassen Schultüten und begrüßen die Schulanfänger im Herbst bei einem Willkommensfest mit Liedern und selbstverfassten Texten. Auch die Eltern von Schülern aus den ersten Klassen werden vorab über den Umgang mit Gewalt an der Schule informiert. 15 bis 20 Fälle wickelten die Betreuer-Teams an der NMS 22 im vergangenen Schuljahr derart ab. „Die Tendenz ist fallend. Das hat uns am Anfang etwas beunruhigt, wir haben aber erkannt, dass sich das Prinzip der Wiedergutmachung langsam bei den Schülern etabliert“, sagt Kitzmantel.
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