Straßenzeitungen unter Druck
Kupfermuckn: "Nicht bei den Ärmsten der Armen sparen"

- "Was die Fördermittel betrifft, geht es uns in Oberösterreich noch gut", sagt Kupfermuckn-Chefredakteurin Daniela Warger.
- Foto: Kupfermuckn
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Im Interview mit MeinBezirk Linz spricht Kupfermuckn-Chefredakteurin Daniela Warger über den gelungenen Relaunch der oberösterreichischen Obdachlosenzeitung und warnt zugleich vor einer "gesellschaftlich gefährlichen Entwicklung."
MeinBezirk: Frau Warger, seit wann gibt es die Kupfermuckn und wie ist sie entstanden?
Daniela Warger: Die Kupfermuckn ist im Jahr 1996 aus einer Schreibwerkstatt entstanden und war eines von mehreren Projekten des Vereins ARGE für Obdachlose. Die erste Straßenzeitung der Welt gründete sich 1989 in New York, das war die "Street News". Nachdem 1995 in Wien der "Augustin" entstanden war, dachten sich die beiden Schriftsteller Eugenie Kain und Kurt Mitterndorfer, dass man so etwas auch in Linz aufziehen sollte. Anfangs gab es drei Ausgaben pro Jahr, heute sind es jährlich zehn. Als Kupfermuckn sind wir im internationalen Straßenzeitungsnetzwerk eingebettet. Treffen finden auch regelmäßig mit unseren österreichischen Kollegen statt. Das ist wichtig, weil wir ja mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind.
Was bedeutet der Begriff "Kupfermuckn"?
Der Begriff kommt aus dem Vagabunden-Slang und bedeutet "Geheimer Unterschlupf". Wie der Name damals entstand, das wissen wir leider nicht genau. Der Kupfermuckn-Schriftzug hat sich jedenfalls seit der Gründung nicht verändert.

- Das Kupfermuckn-Leitungsteam mit Daniel Egger, Daniela Warger und Katharina Krizsanits.
- Foto: Kupfermuckn
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Wie läuft die redaktionelle Zusammenarbeit mit den obdachlosen Menschen?
Wir arbeiten eng mit dem Betroffenen-Team zusammen und treffen uns jeden zweiten Mittwoch. Dabei sprechen wir über Themen, die sie bewegen. Die Obdachlosen schreiben dann aus ihrer eigenen Betroffenheit heraus und unsere Redakteure unterstützen sie dabei, wenn nötig. Manche schreiben ihre Texte auch vollständig selbst. Wichtig ist, dass die Texte authentisch bleiben und auch der Stil des Verfassers nicht verloren geht. Für einen Text erhalten die Leute 20 Euro. Oberösterreichweit sind rund 300 Verkäufer unterwegs, die Hälfte davon in Linz.
Mit dem Relaunch im Herbst 2024 verpasste sich die Kupfermuckn ein modernes Erscheinungsbild. Wie lautet Ihr erstes Fazit?
Wir bekommen sehr viel Lob von den Leuten, weil sich die Lesefreundlichkeit deutlich gesteigert hat. Früher war die Zeitung schon sehr textlastig und mit nur zwei Farben recht eintönig gestaltet. Durch das neue bunte Erscheinungsbild ist die Kupfermuckn leichter, frischer und freundlicher geworden. "Bunt" steht bei uns auch für die Vielfalt, weil unsere Verkäufer ja auch aus aller Herren Ländern kommen. Um die schweren Themen etwas aufzulockern, haben wir die neuen Rubriken "Good News" und "Selbstgemacht" eingeführt. Mit dem "Kupfermücklein" gibt es nun eine eigene Kinderseite. Mit dem neuen Format konnten wir die Druckkosten senken und die Verkaufszahlen leicht steigern. Die Einführung der digitalen Bezahlmöglichkeit lief etwas schleppend an – knapp 20 Prozent der Leute bezahlen mit Bankomatkarte.
"Wir haben in Meinungsumfragen gesehen, dass uns vor allem Menschen aus der unteren Mittelschicht unterstützen. Die brechen dann aber weg, wenn das Geld nicht mehr so vorhanden ist."
Kupfermuckn-Chefredakteurin Daniela Warger
Die Digitalisierung setzt Straßenzeitungen zunehmend unter Druck. Welche Ideen gibt es diesbezüglich für die Zukunft?
Ein Ziel von uns ist, dass wir eine E-Paper-Version der Kupfermuckn etablieren. Da hapert es aktuell noch an der Umsetzung. Auch deshalb, weil wir in unseren Möglichkeiten beschränkt sind. Wir halten auf jeden Fall unsere Augen offen und wollen eine digitale Version unserer Straßenzeitung unbedingt umsetzen.
Wie haben sich das neue Layout und die digitale Bezahlmöglichkeit auf die Verkaufszahlen ausgewirkt?
Wir haben im Vorjahr – gemeinsam mit anderen Straßenzeitungen – eine österreichweite Kampagne mit der Message "Nimm die Zeitung mit" gemacht. Daraufhin sind die Verkaufszahlen wieder leicht gestiegen. In früheren Zeiten hatten wir eine Auflage von 40.000 Ausgaben, mittlerweile liegen wir aktuell bei 18.000. In diesem Bereich hat es sich jetzt eingependelt. Dass die Auflagen überall so stark gesunken sind, ist ein österreichisches Phänomen. Wir haben in Meinungsumfragen gesehen, dass uns vor allem Menschen aus der unteren Mittelschicht unterstützen. Die brechen dann aber weg, wenn das Geld nicht mehr so vorhanden ist. Die Teuerung spielt da sicherlich eine große Rolle.

- Warger blickt mit Sorge in die Steiermark, wo die blau-schwarze Landesregierung 40 Sozialorganisationen langjährige Förderungen gestrichen hat.
- Foto: MeinBezirk Linz
- hochgeladen von Clemens Flecker
In der Steiermark kämpft die Obdachlosenzeitung "Megaphon" um ihr Überleben, weil die FPÖ-geführte Landesregierung Fördergelder in Höhe von 40.000 Euro pro Jahr gestrichen hat. Was sagen Sie dazu?
Uns geht es aktuell noch gut, aber wir blicken mit großer Sorge in die Steiermark, wo insgesamt 40 Sozialeinrichtungen von Kürzungen der blau-schwarzen Landesregierung betroffen sind. Mit einer Auflagenhöhe von 18.000 könnten wir die Kupfermuckn ohne Fördermittel nicht mehr finanzieren. Das Megaphon versucht jetzt, sich mit Crowdfunding über Wasser zu halten. Es ist eine besorgniserregende und bedrohliche Entwicklung, wenn der Staat diese Kosten nicht mehr übernehmen will und Straßenzeitungen nur noch über private Initiativen finanziert werden können. Es kann nicht sein, dass man den Sparstift ausgerechnet bei den "Ärmsten der Armen" ansetzt.
Ist die Kupfermuckn in Oberösterreich finanziell abgesichert?
Was Inserate betrifft, spüren wir einen starken Rückgang. Förderungen erhalten wir vom Land Oberösterreich, die Energie AG hat uns bei der Umsetzung der digitalen Bezahlmöglichkeit finanziell unterstützt. Dafür sind wir sehr dankbar. Gutgetan hat uns die Großspende der Millionenerbin Marlene Engelhorn. Der von ihr ins Leben gerufene "Gute Rat" hat entschieden, jede Straßenzeitung in Österreich mit 52.550 Euro zu unterstützen.
Möchten Sie noch etwas loswerden?
Es geht darum, dass wir ein menschliches Miteinander leben und die Ärmsten der Armen nicht vergessen. Ich appelliere an die Politik, uns auch in Zukunft zu fördern und zu unterstützen. Sonst fallen diese obdachlosen Menschen komplett durch den Rost, was gesellschaftlich eine gefährliche Entwicklung wäre.



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