Nachruf
Kupfermuckn-Verkäufer Bertl Weißengruber verstorben

- Bertl Weißengruber mit Zeitung und Verkäuferausweis.
- Foto: Kupfermuckn
- hochgeladen von Christian Diabl
Der bekannte und umtriebige Kupfermuckn-Verkäufer und Redakteur Bertl Weißengruber ist am Dienstag gestorben.
LINZ. "Wir können es noch gar nicht fassen, dass du nicht mehr ins Kupfermuckn-Café kommst. Du fehlst uns", schreibt die Kupfermuckn-Redaktion auf ihrer Facebook-Seite. Die oberösterreichische Straßenzeitung trauert um den langjährigen Redakteur und Verkäufer Bertl Weißengruber, der am 2. Juni im 70. Lebensjahr unerwartet verstorben ist. Weißengruber war 24 Jahre lang und damit von Beginn an, Teil des Zeitungsprojekts.
"Immer und überall dabei"
Er sei einer der "üblichen Verdächtigen" der Kupfermuckn gewesen, der überall und immer dabei war, schreibt die Zeitung auf Facebook. Viele kennen ihn auch von den "Sozialen Stadtführungen", in deren Rahmen er unzähligen Gruppen 20 Jahre lang das "obdachlose Linz" zeigte. Außerdem machte er Radio Kupfermuckn, spielte in der Theatergruppe und war viele Jahre lang als Betroffenenvertreter bei der Österreichischen Armutskonferenz engagiert.
Die Zeitung verkaufte er unter anderem in Ottensheim am Markt.
Verkäuferporträt Bertl Weißengruber*
"1975 war ich 25 Jahre alt und die ganze Welt stand mir offen. Ich bin gelernter Bäcker und fuhr nach meiner Ausbildung nach Hamburg. Schon mein Vater war Kapitän bei der Marine und auch ich wollte die Welt kennenlernen. Auf der MS Europa fuhr ich als Konditor (Zuckerbäcker) dann über fünf Jahre zur See. Die Europa war das berühmte Traumschiff der deutschen Fernsehserie. So kam ich nach Rio, Hongkong und Oslo. Besonders ist mir Liverpool in Erinnerung geblieben. Ich bin nämlich ein großer Beatles-Fan. Ich habe damals gut verdient und rechnete nicht im entferntesten damit, einmal auf der Straße zu leben. Als die Reederei dann pleite ging, verlor ich meine Arbeit. Ich gründete eine Familie in Linz und habe vier Kinder. Beruflich fand ich keinen guten Anschluss mehr und ich hatte seit meiner Zeit auf See Probleme mit dem Alkohol. Nach einem Infarkt konnte ich nicht mehr arbeiten. Die Familie zerbrach und ich landete in der Obdachlosigkeit. Schon vor 24 Jahren kam ich zur Straßenzeitung Kupfermuckn, die ich seither verkaufe. Ich bin auch in der Betroffenenredaktion aktiv. Schon seit 19 Jahren bin ich Guide der sozialen Stadtführung „Gratwanderung durch das obdachlose Linz“. Ich begleitete schon Politiker, Journalisten, Sozialarbeiter und viele Schulgruppen. Bei der Führung erzähle ich aus meinem Leben und zeige die Plätze und Sozialeinrichtungen, wo Obdachlose sich aufhalten oder Hilfe finden. Nächstes Jahr feiert auch die Kupfermuckn das 25-Jahres-Jubiläum. Ich hoffe, dass ich noch viele Jahre dabei sein werde."
*Das persönliche Porträt hat Bertl Weißengruber anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums des internationalen Straßenzeitungsnetzwerks INSP geschrieben.
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