"Viele Computerspiele sind ein Training zur Gewalt"

Junge Menschen spielen oft mit großer Begeisterung und Leidenschaft am Computer. Manchmal führt es zur Abhängigkeit. | Foto: ishygashev/pantermedia.net
  • Junge Menschen spielen oft mit großer Begeisterung und Leidenschaft am Computer. Manchmal führt es zur Abhängigkeit.
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LINZ (spm). Computerspiele genießen einen zweifelhaften Ruf. Auf der einen Seite werden sie oft in Verbindung gebracht mit Gewalttaten. So soll Anders Breivik seinen brutalen Massenmord am Computer geübt haben. Ähnliches gilt für mehrere Amokläufer in den USA. Andererseits sollen Videospiele die motorischen und strategischen Fähigkeiten fördern. Darüber hinaus hat sich eine große Szene gebildet. In Asien füllen Top-Spieler ganze Arenen, wenn sie live gegeneinander spielen, auch in Europa können immer mehr vom Computerspielen leben. Hierzulande haben zum Beispiel die beiden JKU-Studenten Benjamin Lengauer und David Haubner alleine auf Facebook mehr als 90.000 Likes. Ihre Youtube-Videos haben über 200.000 Views. Kann also etwas was von so vielen, vor allem jungen Menschen, gemacht wird, wirklich so schlecht sein? Es kann, wenn es nach Manuela Macedonia, Gehirnforscherin an der JKU, geht. Vor allem aktuelle Forschungsergebnisse zeigen ein gefährliches Bild. „Computerspiele haben nachweislich einen Einfluss aufs Gehirn. Viele Spiele sind ein Training zur Gewalt, fördern Suchtverhalten und senken die Empathiefähigkeit der Spieler signifikant.“

Suchtgefahr ist groß

Hanspeter Mössenböck vom Fachbereich Informatik an der JKU sieht die Auswirkungen weniger dramatisch. Die meisten seiner Studierenden spielen in ihrer Freizeit. Sie organisieren auch LAN-Partys, wo sich zuletzt im Herbst mehr als 200 Leute zum Spielen getroffen haben. „LAN-Partys werden immer beliebter. Wir bieten auch einen Workshop für Schüler in Richtung Spieleentwicklung an“, so Mössenböck. Dass die Spiele aggressiv machen, glaubt er nicht. „Ich gehe eher davon aus, dass dadurch Aggressionen abgebaut werden können.“ Verharmlosen will er das Computerspielen aber nicht. „Die größte Gefahr ist, dass die Spieler den Bezug zur Realität verlieren. Ich habe selbst zwei Kinder und es gab eine Zeit, wo ich mir da schon Sorgen gemacht habe. Es war allerdings eine Phase, die vorbeiging“, so Mössenböck.
Die Forschungsergebnisse zeigen laut Manuela Macedonia andere Erkenntnisse. Die Wahrscheinlichkeit für Gewaltverbrechen steige vor allem bei brutalen Spielen. „Es ist nicht so, dass jeder Spieler deswegen zum Gewalttäter wird, aber die Statistik spricht eine ganz eindeutige Sprache. Computer spielen kann ein ganzes Leben beeinflussen, und auch zerstören. Das sind enorme Auswüchse, die dann eine Ge-sellschaft tragen muss“, so Macedonia. Aber auch auf persönlicher Ebene können die Schäden folgenschwer sein. „Computerspiele sind ein Training für das Belohnungssystem, das aus dem Gleichgewicht gerät. Dadurch wird die Bereitschaft, Drogen zu nehmen größer. Die Folge sind oft innere Unruhe, psychotische Symptome bis hin zu Depressionen“, so die Forscherin. Andere Studien zeigen ein viel positiveres Bild. Demnach würden die Spiele zur Entwicklung der Jugendlichen beitragen. Macedonia hält diese Studie für gefährlich. „Die Game-Industrie ist ein Milliardengeschäft: Menschen die damit Geld verdienen, haben ein Interesse Studien zu veröffentlichen, die –wenn auch minimale – Vorteile des Spielens in den Mittelpunkt stellen. Die Gehirnforschung kann aber klar nachweisen, dass der Benefit des Spielens so gering ist, dass es das Risiko nicht aufwiegt“, so Macedonia.

Eltern haben Verantwortung

Betroffene Eltern fühlen sich oft hilflos, Macedonia hat dafür nur wenig Verständnis: „Eltern haben die Pflicht zu wissen, was die Kinder mit ihren mobilen Geräten machen. Die Ich-kenne-mich-nicht-aus-Haltung geht gar nicht. Es ist wichtig in der Erziehung Zeit zu investieren,indem man sich nicht nur passiv informieren oder warnen lässt, sondern indem man die Funktion von Geräten und Software kennt und beherrscht. Man kann der Gesellschaft diese Verantwortung nicht überlassen und schon gar nicht den Kindern. Eltern haben eine klare Meinung ob sie ihre Kinder impfen lassen oder nicht, aber die virtuelle Welt bleibt oft eine Blackbox.“ Die Gehirnforscherin kritisiert vor allem, dass es derzeit eine Generation an Eltern gibt, die mit dem technologischen Fortschritt nicht mithält. „Es ist erschreckend, dass das nicht nur die 60-Jährigen betrifft, sondern auch die 50- und teilweise sogar die 40-Jährigen. Das Virtuelle ist zu wichtig für unser Leben geworden, wir dürfen es nicht ignorieren. Es ist da, wir reden da nicht von Visionen für die Zukunft“, so Macedonia.

Zeit mit Kindern verbringen

Die rasante Verbreitung von Smartphones und Tablets macht die Kontrolle über das Spielverhalten zusätzlich schwer. Auch das trifft viele Eltern unvorbereitet. „Die Smartphones haben sich über die letzten wenigen, 3 bis 4 Jahre stark verbreitet. Eltern sind in dieser Zeit ihrer Arbeit nachgegangen und haben sich um alles gekümmert, damit die Kinder gut aufwachsen. Sie haben aber diese Entwicklung unterschätzt und auch zum Teil verabsäumt“, sagt Macedonia. „Entscheidend ist, dass sich Eltern mit den Spielen der Kinder auseinandersetzen. Geräte verstecken bringt nichts. Je mehr man es ihnen verbietet, desto attraktiver macht man es“, weiß Mössenböck. Besonders wichtig sei es, Zeit mit den Kindern zu verbringen und mit ihnen zu reden. Macedonia sieht das ähnlich: „Wenn die Kinder danach fragen, würde ich alternative Vorschläge machen. Da es sich aber oft nicht vermeiden lässt, ist es wichtig, die Spielzeit einzudämmen oder an andere Leistungen, wie zum Beispiel Noten, zu knüpfen. Man muss dabei immer bedenken, dass die Zeit, die Kinder mit sinnlosen Games verbringen, ein richtiger Verlust für Ihre Entwicklung ist. Man spricht von sensiblen Zeitfenstern fürs Lernen, die für manche Fertigkeiten mit ca. zehn Jahren abgeschlossen sind. Hat ein Kind verabsäumt, Sprache zu lernen, Sport zu treiben, soziales Verhalten zu lernen, usw., wird es bestimmt mit gewissen Einschränkungen sein Leben gestalten müssen. Darüber hinaus kann häufiges Spielen echtes Suchtverhalten (auch ohne Substanz) auslösen: Das Gehirn junger Menschen ist besonders anfällig dafür. Sucht wird man sehr schwer wieder los – wenn überhaupt – und eine lebenslange Anfälligkeit bleibt. Kinder sind sich dieser Gefahr nicht bewusst. Sie überschätzen sich oft in ihrer Fähigkeit, die Welt zu beherrschen, daher ist es auch außerordentlich wichtig, dass Eltern diese Mechanismen kennen und auch ihre Erziehung danach gestalten.“

Manuela Macedonia hält am 28. April 2016 einen Vortrag zum Thema. Gehirn für alle: Rausch und Gehirn: Warum keine Droge harmlos ist.

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