Durch Tunesiens Wüste, Teil 2

- Verspäteter Sonnenaufgang
- hochgeladen von Marion Wickström
Alles liegt schon wieder so lange zurück, meine wunderbare Reise fand schließlich im April statt.
Viel ist in der Zwischenzeit geschehen, hat mich berührt, verändert und weiter entwickelt!
Und doch, es gibt Bilder in mir, die sich eingeprägt haben, Erlebnisse und Begegnungen, die von großer Bedeutung waren. Deshalb setze ich meine Reiseerzählung heute fort, um den Bogen zu einem Kreis zu schließen:
Wir waren spät zu Bett gegangen, auf dem Weg zu unseren Zelten verwehte der Sand unsere Fußspuren und begrüßte uns mit einer, in wellenförmigen Mustern angelegten Schicht auf unseren Schlafsäcken.
Ich hatte mir vorgenommen den Sonnenaufgang zu fotografieren und freute mich, als meine innere Uhr mich um 6.25 erwachen ließ.
Vorsichtig schäle ich mich aus dem Schlafsack, schüttle die Sandkörner ab und verlasse leise das Zelt, um meine Mitbewohnerinnen nicht zu wecken. Erfreut stelle ich fest, dass der Sturm sich in einen sanften Wind verwandelt hat und meine innere Optimistin freut sich, dass Rida sich wohl mit seiner Prognose geirrt hat. Der Himmel ist zartrosa, ich wende mich nach Osten und meine Mundwinkel sinken traurig nach unten: Die Sonne hat sich schon gut vier Finger breit über den Horizont erhoben und scheint fahl zwischen lang gezogenen Wolkenbänken hindurch.
„Zu spät.“ denke ich eine Sekunde, doch dann erwacht meine Entdeckungsfreude: Barfuss stapfe ich durch den noch sehr kühlen Sand. Manchmal sinke ich ein, manchmal kann ich darauf stehen, wie auf Beton. Mein Auge nimmt keinen Unterschied wahr und so ist jeder Schritt mit einer Überraschung verbunden.
Ich gehe Richtung Dromedarschlafplatz. Einige Tiere sitzen und scheinen zu schlafen, andere trippeln mit ihren zusammen gebundenen Vorderbeinen wie Geishas in ihren engen Kimonos oder hoppeln beidbeinig, wobei in mir die Assoziation von überdimensionalen Osterhasen entsteht. Erstaunt registriere ich, dass ich die Nummer links am Hals, die ich am Vorabend bei allen Tieren gesehen hatte, jetzt auch bei genauester Beobachtung nicht finden kann. Stattdessen entdecke ich eigenartige Muster am rechten hinteren Oberschenkel. Geistig notiere ich: „Rida fragen.“
Überhaupt Rida, was wären wir ohne ihn!
Dieser Mann liebt die Wüste, das sieht man in seinen Augen, wenn er voller Leidenschaft erzählt. Mein größtes Glück ist, dass er auch Deutsch spricht!
Bei einem herrlichen Frühstück mit frisch gebackenem Fladenbrot, Tee, Eiern &Co besprechen wir „Die Lage der Nation“: Der Sandsturm hat seine Schlafpause beendet und weht nun wieder ziemlich intensiv. Deshalb ist es notwendig unseren ursprünglichen Plan zu ändern, also keine Tagestour mit den Dromedaren und Übernachtung inmitten der Wüste, stattdessen ein Kurzausflug auf den Kamelen. Wir wickeln unsere Scheschs (wie auch immer man jene langen Stofftücher schreibt) ganz eng und hoffen auf Schutz vor dem allgegenwärtigen Sand. Anfangs empfinde ich das Knirschen zwischen den Zähnen als unangenehm, doch als mir einfällt, dass es sich bei der Mundhygiene nicht viel anders anfühlt, habe ich mein inneres Gleichgewicht wieder gefunden.
Ehrfürchtig stehen wir vor unseren Reittieren. Dank Rida wissen wir, dass nur die männlichen Tiere arbeiten. Die Damen vergnügen sich frei in der Wüste. Nur zur Paarungszeit treffen sie einander. Dabei wird auf Ordnung geachtet, und ausschließlich die stärksten Männchen erhalten die Ehre.
Das Rätsel Zahlen versus Muster ist rasch geklärt: abends sahen wir die Tiere des nahen Militärpostens und jetzt sind nur „unsere“ hier, die das individuelle Muster ihrer Besitzerfamilie tragen. Direkt vor meinem Dromedar stehend merke ich, dass ein mulmiges Gefühl meinen Magen heimsucht. Reiten ist nicht so mein Ding. Es ist so viel Abstand zwischen dem Boden und mir und alles unter mir ist in Bewegung.
Doch als ich meinem Begleiter für die nächsten zwei Stunden in die Augen sehe, ist es um mich geschehen: Zwei sanftmütige Augen mit enorm langen Wimpern blicken mich geduldig an und flössen mir Vertrauen ein. Also klettere ich, nachdem das Tier sich niedergelassen hat, auf einen Thron aus Decken und Polstern und halte mich an einem Metallbügel fest. Als das Dromedar sich erhebt, komme ich nicht zum Denken, in welche Richtung ich mein Gewicht verlagern soll, aber irgendwie passe ich mich instinktiv an und- Schwupps- bin ich oben! Es fühlt sich gut an.
Drei, bzw. zwei Tiere sind miteinander verbunden. Rida fasst den Strick des ersten Tieres und langsam beginnen alle sich zu bewegen. Wir sind sechs für fünf Tiere und so geht Beatrice am Anfang mit Rida, während wir fünf gemütlich hin und her wogen. Der Begriff Wüstenschiff erhält für mich neue Bedeutung, denn tatsächlich fühle ich mich, als würde ich mich in einem kleinen Boot am Meer befinden. Es fehlt bloß das leise Plätschern gegen die Bootswand. Okay, es gibt noch einen Unterschied: am Meer dringt kein Sand unablässig durch alle Textilien und saust geräuschvoll durch die Luft. Die Schaukelei lädt zum Träumen ein, die faszinierende Monotonie der Dünen lässt die Gedanken nach innen wandern. Plötzlich habe ich den Kopf des „Hinterkamels“ an meiner Seite. Es blickt mich fast vorwurfsvoll an. Hatte wohl keine Lust mehr nur das Hinterteil von meinem anzusehen. So schnell es auftauchte fällt es auch wieder zurück und ich lasse erneut die Gedanken ziehen. Irgendwann hält unsere kleine Karawane an, das Absteigen ist wieder durch die schnellen Bewegungen- erst vorne Beine einklappen, dann hinten- ziemlich ungewohnt. Unsere Tiere grasen auch an den kleinsten Halmen vertrockneter Büsche, wir strecken uns (und ich stelle fest, dass sich ein, mir bis dato unbekannter, Muskel auf der Innenseite meiner Oberschenkel bemerkbar macht). Rida zeigt uns, wie man im Sand Reifenprofilspuren herstellen kann. Ein scheinbar kinderleichtes Vergnügen, das aber nur Elo auf der Stelle gelingt, während der Rest immer wieder aufs Neue probiert und verwischt. Nach weiteren interessanten Details über das Leben in der Wüste geht´s weiter. Jetzt wandert Sylvia mit Rida. Langsam geht es bergauf, wir erklimmen den Kamm der großen Düne: Erg Orientale. Während ich sanft nach oben gewogt werde und mich über den Ausblick auf unser Camp Djebil freue, wächst langsam die Einsicht, dass es irgendwann auch wieder bergab geht. Das bringt meine Gehirnzellen dazu ihre Trägheit aufzugeben und sich mit dem Befehl zur Adrenalinausschüttung zu beschäftigen!! Leise Panik krabbelt an mir hoch. Der erste Gedanke: Hoffentlich fällt das Kamel nicht um. Dann beginnt die Logik sich breit zu machen und ich stelle fest- unsere Dromedare sind klug und werden sich und uns wohlbehalten nach unten bringen. Also wieder in den beruhigenden Schaukelrhythmus verfallen, und zwar sofort!!
Tatsächlich bewegen die Tiere sich mit unglaublicher Sicherheit und Ruhe, die ich nur all zu gerne in mich aufnehme.
Zurück im Lager steige ich ab und stelle augenblicklich fest, dass ich mich mit John Wayne verwandt fühle- ging er so breitbeinig wegen des Muskelkaters? Meine inneren Oberschenkel fühlen sich auf alle Fälle entsetzlich an. Da alle anderen aber so gelassen lächeln, vermute ich als Einzige untrainiert zu sein. (Späteres Nachfragen ergibt, dass alle Ähnliches spüren…)
Der Sturm nimmt kein Ende und deswegen fahren wir mit den Jeeps in die Oase Ksar Ghilane. Nach längerer Fahrt über steinige Pisten, immer wieder von rosa Sandwolken begleitet, sehen wir die ersten Büsche und Bäume am Horizont. Erstaunlich wie die Augen sich an dem Grün erfreuen können. Je näher wir kommen umso facettenreicher die Vegetation: Oleander, Bougainvillea, schwarzäugige Susanne, Dattelpalmen- es ist einfach traumhaft! Hier werden wir heute übernachten. In der Oase gibt es zwei verschiedene Arten von Zelten: Einfache mit bunten Stoffhimmel und Luxuszelte mit Klimaanlage und eigenem Badezimmer. Wir besichtigen eines der reich ausgestatteten Zelte, sind aber mit unserer Variante auch sehr zufrieden! Der Sturm ist hier nicht wahrnehmbar und die Stille, lediglich durch Zikaden und Vogelgezwitscher durchbrochen ist für unsere Ohren sehr wohltuend.
In der Bar sitzen wir gelassen bei Gin Tonic und tauschen uns über das Erlebte aus. Anschließend werden wir im Restaurant wunderbar verwöhnt und der Weg zwischen Palmen und beleuchteten Poollandschaften führt uns zu den heiß herbeigesehnten Schlafplätzen.
Am nächsten Tag geht´s weiter zu der verlassenen Speicherstadt Ksar Hallouf in den Bergen. Es ist eine beeindruckende Anlage. In einer der Höhlen befindet sich noch eine Ölpresse, die von Eseln betrieben wurde. Beatrice führt uns, als perfekte Reiseleiterin, sofort vor, wie die Tiere arbeiteten!
Etwas später erreichen wir die al Ghriba Synagoge, sie ist die älteste erhaltene Synagoge Nordafrikas. Seit langem ist kräftiges Türkisblau meine Lieblingsfarbe, deshalb genieße ich den Aufenthalt in diesem Gebetshaus sehr intensiv. Das Licht flutet durch die, in verschiedenen Blautönen gehaltenen, Fenster, Wandfliesen und Säulen ergänzen sich in stiller Harmonie und selbst die Holztüren im geräumigen Innenhof begrüßen mich in kräftigem Blau.
Anschließend stoppen wir in Mednine, wo die Speicher noch heute genützt werden. Unzählige Händler bieten ihre Waren an. Manchmal fühle ich mich wie in der Höhle von Ali Baba und den 40 Räubern: Dicht gedrängt baumeln unzählige Schmuckstücke von den Wänden, so dass man kaum hineingehen kann. Die Farbenpracht ist atemberaubend und wir genießen „Shopping“ auf Tunesisch.
Irgendwann ist es so weit und wir fahren zum „park inn“ Ulysee Ressort & Thalasso auf Djerba. Was für eine Pracht! Direkt am Meer und das Zimmer so geräumig, dass ich mein Glück kaum fassen kann. Ein traumhaftes Bad, ein Bett so groß, dass ich quer darin schlafen könnte, eine wunderbare Sitzecke und ein Balkon mit grandioser Aussicht. Eigentlich will ich gar nicht aus meinen „eigenen vier Wänden“ raus, aber ich bin mit den Mädels im Spa verabredet: Innenpool mit Möglichkeit nach draußen zu schwimmen, Hamam, Sauna mit Fenster zum Meer (im März sah ich die Donau, was für ein Zufall!) flauschige Handtücher und ein kuscheliger Bademantel. Das Relaxen gelingt dann auch wirklich gut, erstaunlich wo sich immer wieder der Wüstensand finden lässt, den ich schon längst abgespült wähnte!
Nach einem wunderbaren Abendessen, natürlich wieder mit Harissa, heißt es rasch ins Bett, um fit für den Rückflug zu sein. Ich breite jetzt nicht unser Bangen aus, ob die Flüge auch durchgeführt werden können- ihr erinnert euch: Sandsturm- sondern hoppse geistig nur noch zur Landung: Ich vergaß meine Kamera unter dem Sitz. Ja, es hat mich einfach verwirrt, so als VIP in Reihe 1 Sitz A sitzen zu dürfen…
Doch Dank Beatrice hatte ich sie bald wieder und meine wunderbaren Reisebegleiter warteten alle, bis ich das gute Stück wieder in Händen hielt!
Was bleibt noch zu schreiben: Dass ich dankbar bin über all die intensiven Erfahrungen, Begegnungen und Bilder, die ich sammeln durfte und dass wir alle noch einmal gemeinsam in die Wüste reisen wollen!
www.der-fliegende-teppich.com
www.tunesien-info.at
www.tunisair.com
www.utic.com.tn
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