Hotel Sans Souci
Dieses Wiener Luxushotel kommt ganz ohne Küchenchef aus
Kein Küchenchef im Luxushotel? Dass das geht, beweist das "Sans Souci" aus dem 7. Bezirk, frei nach dem Motto "New Work". Hier rennt's auch ohne Boss.
WIEN/NEUBAU. Von A dem Anbau der Küchenkräuter bis Z wie Zutaten für das Mitarbeiteressen bestellen: Die Liste der To Do’s für das Küchenteam im „Sans Souci“ ist lang. Genauer gesagt 78 verschiedene Aufgaben gilt es diesbezüglich im Luxushotel am Neubau zu erledigen. Wie das von statten geht, änderte sich mit April 2021 von Grund auf. Dann nämlich stand das Sans Souci unerwartet ohne „Chef de Cuisine“, also Küchenchef, da.
An einem Punkt, wo andere Unternehmen normalerweise auf Stellen-Inserate setzen, setzte General Manager Andrea Fuchs auf ein Umdenken: „Wir hatten einen guten Sous Chef und eine tolle Küchencrew – wir waren also eigentlich super aufgestellt. Also wieso nicht das Team stärken und dementsprechend auch die Küche als Team führen?“
Also aus der Not eine Tugend machen? Was so einfach klingt, hat einen Fachausdruck: „New Work“. Fuchs, die von Anfang an das Sans Souci mit aufbaute und somit seit zwölf Jahren dort ein- und ausgeht, beschäftigte sich in den vergangenen Jahren viel mit diesem neuen Zugang. Das Prinzip: die Aufgaben so zu verteilen, dass Arbeit nichts Gezwungenes ist, sondern man Arbeit tut, die man wirklich, wirklich will. „Es gibt Firmen mit zehntausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die so führen – und es klappt. Also wieso auch nicht bei uns?“
Veto vom Küchenteam
Mit Unterstützung einer Unternehmensberatung und einem Coach begann die Umstrukturierung: Im Zuge dessen wurde auch die anfangs erwähnte Inventarliste aller Aufgaben erstellt, die in der Küche erledigt werden müssen. „Parallel dazu haben wir einen Stärkentest mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemacht: Wer sind die Umsetzerinnen und Umsetzer, wer ist besonders kreativ, wer ist eine Führungskraft, Motivatorin oder Motivator.“ Dementsprechend wurden die Aufgaben verteilt: Jeder konnte sich zu seiner persönlichen Lieblingsaufgabe melden, das 13-köpfige Team hatte jedoch ein Veto-Recht. „Das Überraschendste dabei: Da war kein blinder Fleck, wo jemand geglaubt hat, er ist der Mega-Checker und die anderen haben das total anders gesehen“, so Fuchs.
Mehr Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie mehr Eigenverantwortung, gleichzeitig aber auch die Challenge, dass es keinen Küchenchef mehr gibt, der die finalen Entscheidungen über Abläufe und Speisen trifft: So ganz problemlos lief der Prozess natürlich nicht ab. „Da war’s dann vielleicht mal nicht so sauber oder es haben ein paar Zutaten gefehlt – das war schon ein Lernprozess.“ Aber: „Jeder und jede hat das Beste aus sich herausgeholt hat. Plötzlich hatten wir noch ästhetischer angerichtete Teller und so kreative Menükarten wie nie zuvor“, so Fuchs.
Für letzteres zuständig ist unter anderem jetzt Sebastian Pop, Chef de Partie und Head of Kitchen Hygiene: Er arbeitet meistens auf dem Posten des Entremetiers, der für die Zubereitung von Beilagen zuständig ist. „Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht mal um Fleisch und Fisch kümmere oder am Pass – also der Schnittstelle zwischen Küche und Service – stehe.“
Respekt am Würstelstand
Der 32-Jährige zweifelte anfangs am neuen Konzept: „Ich war schon sehr skeptisch. Normaler Weise klappt es nicht, wenn es niemanden gibt, der die Gesamt-Verantwortung trägt.“ Aber nach drei Monaten änderte Pop seine Meinung. „Wir haben angefangen, als Team wirklich eine Bindung aufzubauen. Jeder lernt von jedem – und das jeden Tag. Das kommt mir besonders entgegen, ich mag keine Routinen.“ Und: „Man muss nicht gut in allem sein, kann sich auch mal eine Pause nehmen, wenn‘s mal grad nicht so läuft. Für das Wintermenü etwa hatte ich viele tolle Ideen, für das Sommermenü meine zwei Kollegen – und die Hauptsache ist ja, dass der Job getan ist.“
Ob er an der alten Routine etwas vermisst? „Einen guten Küchenchef zu haben, von dem ich viel lernen kann. Voneinander als Team zu lernen, ist viel herausfordernder. Ohne den nötigen Respekt und Kritik auf Augenhöhe geht das nicht, alle müssen an einem Strang ziehen.“ Damit das klappt, verrät Pop noch eine Tradition des Küchenteams in Sachen Team-Building – und die ist übrigens gar nicht so luxuriös, wie man es vom Sans Souci annehmen könnte: „Wir gehen zum Würstelstand beim Volkstheater – und das sogar im Winter.“
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