Eine Liebe auf Schloss Halbturn
Der Thronfolger und die Hofdame
Eine der größten Love-Stories der Weltgeschichte erlebte einige Höhepunkte auf Schloss Halbturn. Der Thronfolger Franz Ferdinand verliebte sich in die Hofdame Sophie Gräfin Chotek.
Autorinnen: Ingrid Nagl-Schramm und Andrea Glatzer
Franz Ferdinand war der schönen, aber für einen künftigen Kaiser nicht ebenbürtigen Sophie Gräfin Chotek im Herbst 1894 bei einer Veranstaltung in Prag begegnet. Im Schloss Halbturn, wo er eingeladen war, um der Tochter des Hauses Maria Christina näher zu kommen – wenn es nach den Plänen ihrer Mutter Erzherzogin Isabella gegangen wäre –, festigte sich die Beziehung zu seiner Geliebten. Maria Christina wäre mit dem gigantischen Vermögen ihres Vaters Erzherzog Friedrichs im Hintergrund eine glänzende Partie gewesen. Aber Franz Ferdinand ging es ähnlich wie später dem britischen König Edward VIII., der einen Hofskandal erster Klasse auslöste, weil er nicht bereit war, auf die Liebe seiner bürgerlichen Freundin Wallis Simpson zu verzichten, und stattdessen lieber den Thron des mächtigen britischen Empire aufgab. Auch Franz Ferdinand setzte alles auf eine Karte und heiratete seine Sophie gegen alle Widerstände des Kaisers und zum Entsetzen der Hocharistokratie.
Kuppelei in höchsten Adelskreisen
Erzherzogin Isabella, eine gebürtige Prinzessin von Croÿ, war eine vom Ehrgeiz zerfressene Mutter, die für ihre sieben Töchter nach Königssöhnen Ausschau hielt. Als Ehefrau eines der reichsten Männer der Monarchie hatte sie genug Geld und Verbindungen in den höchsten Adelskreisen, um ihre ehrgeizigen Pläne umzusetzen, von denen aber nur die wenigsten aufgingen.
Reicher als der Kaiser
Ihr Mann Erzherzog Friedrich war sogar noch vermögender als sein Verwandter Kaiser Franz Joseph. Er hatte von seinem Onkel Albrecht von Teschen das Herzogtum Teschen und die Herrschaft über Ungarisch Altenburg geerbt. Auch das Wiener Stadtpalais seines Onkels Albrecht mit seiner kostbaren Kunstsammlung, heute als Graphische Sammlung Albertina bekannt, ging nach dessen Tod an Friedrich über. Aber Friedrich hatte, unabhängig von seinem sagenhaften Erbe, auch eine Nase fürs Geld und gründete eine Reihe von lukrativen Unternehmen.
Ein potentieller Schwiegersohn
Als Hausherrin Isabella Franz Ferdinand als potenziellen Schwiegersohn für ihre älteste Tochter Maria Christina ins Auge gefasst hatte, ging sie tatkräftig daran, ihn über seine Hobbys einzufangen. Sie lud den Thronfolger häufig in das Familienpalais in Preßburg zur Jagd ein, denn er galt als der schießwütigste Jäger der gesamten Monarchie, der sogar noch Kaiser Franz Joseph in den Schatten stellte. Auf dem Sommerwohnsitz der Familie in Halbturn gab es einen prächtigen Tennisplatz, den die ehrgeizige Multimillionärs-Gattin eingerichtet hatte, um mit ihren Töchtern und den illustren Gästen Tennis zu spielen. Der Thronfolger stellte sich dort auffallend häufig ein. Wie sich herausstellte, kam er aber nicht wegen Maria Christina, die er zwar eifrig ausführte, aber seine Aufmerksamkeit galt nicht ihr, sondern der schönen Hofdame Sophie Gräfin Chotek.
Der Skandal des Jahrhunderts
Die Affäre flog auf, als Franz Ferdinand einmal seine Uhr auf dem Tennisplatz vergaß. Ein Diener hatte der Hausherrin die Uhr übergeben. Als Erzherzogin Isabella den Deckel aufklappte, hoffte sie, das Foto ihrer Tochter zu finden. Stattdessen entdeckte sie, als sie das Bildnis ihrer Hofdame sah, die heimliche Verbindung.
Am Wiener Hof brach ein Sturm der Entrüstung los, als Franz Ferdinand dem Kaiser mitteilte, dass er Sophie heiraten wollte. Das ohnehin nicht gerade einfache Verhältnis zwischen dem Monarchen und seinem Thronfolger verschlechterte sich zusehends, je mehr Franz Ferdinand auf diese Ehe bestand. Nach langen, zähen Verhandlungen erhielt Franz Ferdinand endlich die Bewilligung. Allerdings musste er am 28. Juni 1900 eine Thronverzichts-Erklärung für seine Nachkommen unterschreiben. Seine drei lebend geborenen Kinder trugen den Namen ihrer Mutter, die anlässlich ihrer Hochzeit zur Fürstin Hohenberg ernannt wurde.
Missachtung am Kaiserhof bis in den Tod
Als Ehefrau des Thronfolgers bekam Sophie die geballte Verachtung des Hofes zu spüren. Bei offiziellen Anlässen durfte sie nicht an seiner Seite erscheinen, sondern musste sich beim Einzug hinter den jüngsten Erzherzoginnen einreihen. Bei öffentlichen Anlässen durfte sie nicht mit ihm am Tisch sitzen und auch nicht mit ihm gemeinsam in einer Kutsche fahren. Auch bei privaten Anlässen wurde ihr immer wieder zu verstehen gegeben, dass sie unerwünscht sei.
Das Familienleben des Thronfolgers galt als harmonisch. Die Love-Story ging tragisch zu Ende, als das Ehepaar am 28. Juni 1914 bei einem Attentat in Sarajewo ums Leben kam.
Selbst nach ihrem Tod bekam Sophie noch die Häme des Hofes zu spüren. Auf ihrem Sarg befanden sich nicht die Insignien einer Herzogin, die ihr gebührt hätten. Man hatte ihr einen Fächer und ein Paar Handschuhe auf den Sargdeckel gelegt, Gegenstände, mit denen man üblicherweise Hofdamen bestattete.
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