Jahreskreis 29 - 9: Sonnabendnachmittag – Fahrt zum Eisenbahnmuseum Unterretzbach

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(von Christoph Altrogge)
Kurz nachdem ich mit dem Artikel fertig geworden war, hatte ich von einer Sonderfahrt nach Unterretzbach gehört. Zweimal an diesem Tag würde ein Sonderzug kostenlos zum Eisenbahnmuseum Unterretzbach fahren. Die erste Fahrt war bereits am Vormittag. Geleitet würde die Exkursion von einem Altstadtrat Plessl aus Kleinhöflein, welchem das Museum unterstand.
Mir kam die Idee, dass das eventuell noch Stoff für einen Extraartikel ergäbe. Außerdem interessierte mich das privat. Ich war daher gleich auf dem Bahnhof geblieben, um mich ebenfalls an der Sache zu beteiligen.
Der Zug, stellte sich heraus, war ein Triebwagen der Tschechischen Bahnen. Der, der für gewöhnlich auf der Strecke Retz-Znaim-Retz verkehrte.
Bahnhof Unterretzbach, eine knappe Stunde später. Ich verließ den Zug als Letzter. Nachdem ich ein paar Schritte gegangen war, sah ich mich erst einmal um. Nach all dem Festtagstrubel bedeutete es fast eine Umstellung, sich plötzlich in völliger Abgeschiedenheit in freier Natur zu befinden. Wo nichts weiter war als warmer Wind, gelegentlich das Rauschen der paar Bäume und Sträucher um das Bahnhofsgebäude. Diese Abgeschiedenheit im Freien war der erste Eindruck, der ganz und gar dominierte.
Vor mir tauchte das ehemalige Bahnhofsgebäude von Unterretzbach auf. Zweigeschossig, dreiachsig, Satteldach, Putzquader im Erdgeschoss, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts errichtet.
Gemeindegrenzenmäßig gehörte es zum nahen Kleinhöflein, es trug daher die Hausnummer Kleinhöflein 142. Und die Grundstücksnummer war die 1360, hatte ich mal irgendwo gelesen.
Seit 1987 Eisenbahnmuseum.
"Unter-Retzbach" war noch immer auf dem Stationsschild kurz unter dem Dach zu lesen. Darunter in etwas kleinerer Schrift: "Kleinhöflein". Oder es war bereits w i e d e r zu lesen. Das Schild machte den Eindruck, als ob es erst vor nicht allzu langer Zeit gründlich restauriert worden wäre. So wie das ganze Haus überhaupt.
Links und rechts befanden sich an dem Haus je eine Laterne im historischen Stil. Diagonal standen sie von den Ecken des Hauses weg.
Über zwei Eingänge verfügte die Vorderfront des Gebäudes. Offensichtlich führte einer von ihnen mal in die Wartehalle und der andere zum Fahrkartenschalter. Zwischen den Eingängen stand eine Bank.
Außer dem Bahnhofsgebäude deutete an diesem Ort praktisch nichts mehr darauf hin, dass sich hier mal ein Bahnhof befand. Der Boden war, soweit das Auge reichte, mit hohem Gras überwachsen. Der Wind bewegte es ein wenig hin und her. Nur die Holzkiste mit Winterstreugut unter einem der Kastanienbäume erweckte zumindest den Eindruck von etwas Aktivität. Bei all dieser Verlassenheit stach die offensichtlich gerade erst restaurierte Fassade des Bahnhofsgebäudes geradezu heraus.
Südlich neben dem Bahnhofsgebäude schloss sich ein kleiner Platz an. Wieder südlich davon wurde er durch eine Reihe Sträucher abgegrenzt, westlich durch einen Kiesweg.
Auf ihm war bereits eine kleine Ansammlung alter Bahntechnik zu sehen. Direkt nördlich vor der Strauchreihe hatte man ein Minigleis mit nur acht Schwellen errichtet. Darauf stand ein gelber Motorbahnwagen der Reihe 616 mit ebenfalls sehr kleinem Tiefladeanhänger. Es war einer, wie ihn die ÖBB-Bauhöfe verwendeten.
Wieder direkt nördlich vor dem Fahrzeug befand sich eine Reihe weiterer Bahnobjekte. Eine kleine Bahnampel. Ein altertümlicher Holzschlitten, der offensichtlich auch einmal im Bahndienst stand.
Das letzte Objekt der Reihe am westlichen Ende gehörte bereits nicht mehr zum Museumsinventar. Es war das Haltestellenschild des Bahnbusses am Rande des Kiesweges. Es wirkte irgendwie deplaziert in dieser Einöde am scheinbaren Ende der Welt.
Noch einmal nördlich davor befand sich ein aus zwei Vierkanthölzern errichtetes Gleis. Eine kleine, schon stark angerostete Kipplore stand darauf.
Ganz am Beginn dieser Mini-Ausstellung befand sich eine Tischeinheit. Sie war aus groben Brettern zusammengezimmert worden, verfügte über zwei integrierte Bänke. Sie stand unter zwei alten Kastanienbäumen, die wiederum dicht am Rande der Gleise standen.
Ich stieg über das Gleis vor mir. Es war ein Abstellgleis, wie sich zeigte. Es zweigte am Beginn des Bahnhofsgeländes vom Hauptgleis ab. Am Ende des Bahnhofs vereinigte es sich wieder mit ihm. Teilweise war es auch schon mit Gras überwachsen.
Vor dem Bahnhofsgebäude angekommen, drehte ich mich um und sah zur anderen Seite. Ein etwas eigenartiges Bild bot sich einem von dieser Stelle aus. Fast die gesamte Kulisse bestand aus dem weiten Feld mit den flachwelligen Hügeln am Horizont. Der Triebwagen im Vordergrund wirkte fast wie vom Himmel mitten in die Landschaft gefallen.
Schräg über dem Feld jenseits des Bahndammes erschien am Horizont die Windkraftanlage von Nachbar Suttner-Gatterburg. Ich erinnerte mich daran, wie ich vor ein paar Monaten eine Reportage darüber geschrieben hatte.
Entgegen vieler Vorurteile gegenüber der Optik von Windrädern fügte sich das Objekt sehr harmonisch in das gesamte Landschaftsbild ein. Das fiel sogar mir mit meiner tendenziell vernichtend kritischen Einstellung gegenüber moderner Architektur positiv auf.
Wenige Schritte rechts neben der Geräteausstellung befand sich an der Seite des Hauses die Eingangstür. In ihrem Oberlicht war das Glas entfernt und durch ein Schild mit der Aufschrift "Museum" ersetzt worden. Altstadtrat Plessl stieg die drei Stufen davor hoch. Oben holte er ein Schlüsselbund hervor und begann die Tür zu öffnen.
Als er damit fertig war, drehte er sich zunächst um in Richtung Gäste und blieb an der Stelle stehen. "Ich möchte Ihnen zunächst etwas über die Geschichte dieser Einrichtung erzählen", begann er danach.
"Da der Bahnhof Unterretzbach nur mehr als Ladestelle Verwendung fand, wurde von der Gewerkschaft der Eisenbahner, Ortsgruppe Retz, der Beschluss gefasst, ein Museum einzurichten.
Mit den Renovierungsarbeiten des Bahnhofes wurde am 1. April 1986 begonnen, welche am 30. Mai 1987 abgeschlossen waren.
Die Arbeiten wurden von folgenden Firmen ausgeführt:
Streckenleitung Wien Franz-Josefs-Bahnhof.
Elektrostreckenleitung Wien.
Bahnmeistereien Retz, Absdorf und Hollabrunn.
Dachdeckerarbeiten: Firma Springer, Watzelsdorf.
Transporte: Firma Dietrich, Mallersbach.
Spenglerarbeiten: Firma Fuchs, Retz.
Tischlerarbeiten: Firma Schmircher, Kleinriedenthal.
Auch die Kollegen der Ortsgruppe Retz halfen tatkräftig mit. Als Museum eingerichtet wurden drei Räume. Zu sehen sind unter anderem Oberbaueinrichtungen, Signaleinrichtungen und Streckengeschichte.
Die feierliche Eröffnung des Museums wurde am 20. Juni 1987 durch das ZA-Mitglied Walter Skopek vorgenommen."
Im ersten Stock angekommen, blieb er schließlich in einem der Räume stehen. Sie gehörten bereits zum Ausstellungsbereich, wie sich zeigte. Drei Räume umfasste er insgesamt, wie uns mitgeteilt wurde. Alle möglichen Exponate über die Geschichte der Nordwestbahn befanden sich in den Vitrinen ringsum. Eine frühere Bahnhof- und Güterkasse. Ein mechanischer Stellwerksblock. Eine Schaufensterpuppe in einer historischen Zugschaffneruniform. Signallampen. Metallschilder von Bahnhofsgebäuden und Lokomotiven. Dokumente vom seinerzeitigen Bergbau entlang der Bahnstrecke Retz-Drosendorf. Alte Fahrkarten und Fahrpläne. Faksimiles historischer Schriftstücke. Pläne. Zahlreiche vergrößerte Fotografien. Man merkte, dass hier ihrer Gegend verbundene Eisenbahnliebhaber am Werk waren.
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