Autorin Ljuba Arnautović: "Meine Großmutter war eine Heldin"
Ihre Großmutter hat im Krieg Juden versteckt. Ljuba Arnautović hat darüber ihren Debütroman "Im Verborgenen" geschrieben und sich intensiv mit ihrer bewegten Familiengeschichte beschäftigt.
OTTAKRING. Die Ottakringerin Ljuba Arnautović wirft in ihrem Buch einen Blick auf Schicksale, Entscheidungen und ihre Familie.
Sie erzählen die Geschichte Ihrer Großmutter väterlicherseits.
Ich komme aus einer Familie, deren Protagonisten sehr bewegte Schicksale gehabt haben, und ich habe sehr viel davon erzählt. Ich habe auch immer geschrieben, für das Radio und als Übersetzerin gearbeitet. Im Laufe der Jahre wurde es dann dringlicher, meine Familiengeschichte zu erzählen.
Warum?
Über Helden und bekannte Persönlichkeiten wird geschrieben, aber Geschichte ist auch etwas anderes. Sie ist auch, was die kleinen Leute erlebt haben. Da gibt es auch Helden, nur hat das niemand gesehen. Meine Großmutter war eigentlich eine Heldin, aber eben eine kleine Frau, die nicht aufgefallen ist. Sie hat mindestens zehn Jahre lang nicht darüber gesprochen, dass sie Juden versteckt hat.
Wie vielen hat sie geholfen?
Insgesamt waren es sechs Personen. Das hat erst relativ spät begonnen. Als sie die erste Person versteckt hat, war es 1942 oder 1943. Das ist auch ein interessanter Aspekt: Wie kommt man in so eine Lage? Viele der Wiener "U-Boote" kamen bei Angehörigen oder Nahestehenden unter. Aber es war sehr selten, dass fremde Menschen sie aufnahmen.
Wie ist ihre Großmutter dazu gekommen?
Sie hat in einer Kanzlei der evangelischen Kirche gearbeitet und einer der Mitarbeiter war in einer Gruppe, die Menschen versteckt hat. Das erste "U-Boot" war eine Frau, die aufgeflogen war und schnell untergebracht werden musste. Man ist an meine Großmutter herangetreten, denn es war Sommer und in der Kanzlei, in der sie auch ihre Wohnung hatte, war nichts los.
Wie sind Sie auf den Titel "Im Verborgenen" gekommen?
"Im Verborgenen" bezieht sich auf das Versteck, aber auch darauf, wie sie in dieser Zeit agieren musste. Sie musste verschweigen, wer sie eigentlich war. Das hatte seine Gründe: Ihre Söhne waren in Moskau im Exil. Und als alles bekannt wurde, gab es Menschen die damit nicht umgehen konnten. Man hat etwas gutes geleistet, ist zur Heldin geworden und dann wendet sich die Freundin ab weil sie sagt: "Du hast mich die ganze Zeit belogen und betrogen."
Wie lange haben Sie daran gearbeitet?
Ich hatte schon kürzeren Texte, die ich zum Teil schon vor zehn oder zwölf Jahren geschrieben habe. Dann habe ich an einer Schreibakademie teilgenommen, wo es dann geheißen hat, dass das eigentlich ein Romanstoff ist. Und dann habe ich mich daran versucht.
Warum ein Roman?
Ich glaube, dass man anhand von persönlichen Schicksalen auch spüren kann, was geschichtlich passiert ist. Wenn man nur Daten und Fakten liest, bleibt man auf Distanz. Meine bisherigen Leser haben sich gefragt: "Wie hätte ich reagiert?"
Eine gute Frage …
Und wir kennen die Antwort nicht. Wir machen uns etwas vor, nämlich dass wir alle helfen würden. In Wahrheit sind wir feige. Das ist nur menschlich. Meine Großmutter ist da halt hineingeraten – und das muss man schätzen.
"Im Verborgenen" ist im Picus Verlag erschienen und kostet 22 Euro. Infos zu den Lesungen auf www.picus.at/veranstaltungen
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