Sommerbergbahnen inklusive
Partnerschaft im Tannheimer Tal hat einen tiefen Riss

Die Krinnenalpbahn in Nesselwängle: Nicht nur geografisch ist sie weit von den Mitbewerbern entfernt. | Foto: Reichel
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NESSELWÄNGLE. Ein touristisches Produkt im Tannheimer Tal sorgt derzeit für schlechte Stimmung in Nesselwängle.

"Sommerbergbahnen inklusive" - dieses Produkt ist im Tannheimer Tal seit vielen Jahren sehr beliebt. Heuer gibt es eine Änderung: Nesselwängle ist nicht mehr dabei. Oder vielleicht doch? Man weiß es nicht so ganz genau. Der "Haussegen" hängt jedenfalls gehörig schief.

So fing alles an

2014 machten sich die Liftgesellschaften von Nesselwängle, Grän und Tannheim samt Schattwald/Zöblen daran, eine Möglichkeit zu schaffen, dass Urlaubsgäste die Bahnen im Hochtal im Sommer möglichst kostengünstig benützen können. Auch das Freibad beim Haldensee schloss sich an. Seit 2015 können die Vermieter der Talschaft nun ihren Gästen ein entsprechendes Produkt anbieten.
Gäste der teilnehmenden Unterkunftsbetreiber können seither die Bahnen im Tannheimer Tal bzw. das Freibad am Haldensee sogar "kostenlos" benützen, wobei die Kosten in Wahrheit in die Zimmerpreise eingerechnet werden. Günstig ist das allemal, "Sommerbergbahnen inklusive" ist ein echter Renner.
"Vor Einführung des Produktes haben wir uns angesehen, was andere Regionen anbieten", erzählt Wolfgang Moosbrugger, Geschäftsführer der Tannheimer Seilbahnen, zu denen auch die Liftanlagen in Schattwald und Zöblen gehören. Schnell habe man festgestellt, dass - aus Sicht des Gastes - die kostenlose Benützung von Liften und Bädern ganz weit oben auf der Wunschliste steht.

Modell fußt auf Freiwilligkeit

Manche Regionen schaffen diese Möglichkeiten, indem sie die Tourismusabgaben entsprechend erhöhen und dadurch alle Vermieter einbinden. Ein gangbarer Weg, allerdings durchaus eine "Zwangsbeglückung" für all jene Vermieter, denen ein solches Angebot nicht so wichtig ist. "Wir haben uns daher für die Freiwilligkeit entschieden", erklärt Moosbrugger. Die Vermieter im Tal können also von sich aus entscheiden, ob sie ihren Gästen das Angebot "Sommerbergbahnen inklusive" anbieten wollen.

Zwei Abrechnungsvarianten

Wer mitmacht, kann aus zwei Varianten bei der Abrechnung an die Seilbahnen bzw. das Schwimmbad wählen: entweder man zahlt nach der Anzahl der Betten, die man vermietet, oder nach tatsächlichen Nächtigungen. Größere Betriebe würden zur Abrechnung nach Bettenanzahl tendieren, kleinere eher zur Variante nach Nächtigungszahlen, erklärt Moosbrugger.

TVB hilft bei der Abrechnung

Dabei kommt der Tourismusverband ins Spiel. Weil die Nächtigungszahlen der Betriebe nur diesen und dem TVB bekannt sind, kümmert sich der Tourismusverband um die Einhebung der verrechenbaren Kosten und leitet diese an die Lifte bzw. den Badbetreiber (die Gemeinde Grän, Anm.) weiter, wobei hier eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) zwischengeschalten ist. Die ARGE kümmert sich ihrerseits um die Aufteilung an die Mitglieder.
Und hier hakt es. Schon länger schwelen Unstimmigkeiten im Hintergrund. Tannheim (inklusive Schattwald/Zöblen), Grän und das Schwimmbad am Haldensee stehen auf der einen Seite, die Liftgesellschaft Nesselwängle auf der anderen.

Unfaire Behandlung

Jens Stecher ist Mehrheitseigentümer und Geschäftsführer der Krinnenspitzbahn in Nesselwängle. Er fühlt sich und seinen Betrieb unfair behandelt. Die an die Vermieter verrechneten Kosten seien von Grund auf zu niedrig. "Das ist ein 'Dumpingpreis-Produkt'", findet Stecher. Qualität würde einfach mehr kosten.
Erschwerend komme hinzu, dass die vergleichsweise "kleine" Bahn in Nesselwängle umgelegt auf die Fahrgastzahlen höhere Grundkosten zu stemmen habe, als die anderen Bahnen der Talschaft. "Die Löhne sollte ich schon aus den Erlösen heraus bezahlen können", merkt Stecher an und fordert eine Lösung, die im Zusammenhang mit dem Produkt "Sommerbergbahnen inklusive" zumindest die Selbstkosten abdeckt, was derzeit aber nicht der Fall sei.

Forderung nach Solidarität

"Die Bahn in Nesselwängle ist ein pumperlgesunder Betrieb. Wir werden aber aufgesogen von diesem Paket",

übt Stecher Kritik an der Preispolitik der ARGE und fordert Solidarität von den anderen ein.

Das dürfte 2021 ein Wunsch bleiben. Nesselwängle ist nicht mehr dabei. Kürzlich bekamen die Vermieter der Region ein Schreiben der ARGE, in dem Termine und Regelungen für den Sommer 2021 aufgeführt sind. In der nachfolgenden Auflistung scheint die Liftanlage in Nesselwängle nicht mehr auf.

Ärger in Nesselwängle

In der Gemeinde Nesselwängle ist man verärgert. Vermieter des Ortes meldeten sich in der Bezirksblätter-Redaktion und sprachen ihr Unmut dahingehend aus, dass man nicht verstehen will, warum die Regelung nur für den Nesselwängler Liftbetreiber inakzeptabel ist, während alle andern dabei sind.

Bedauern beim TVB-Obmann

TVB-Obmann Walter Barbist findet das ebenfalls sehr schade. "Das ist sicher ein Verlust für die ganze Wanderregion", stellt der erfahrene Touristiker fest, fügt aber an: "Wir habe darauf keinen Einfluss."

Dabei, oder nicht dabei?

Jens Stecher versteht seinerseits die Aufregung nicht so wirklich. Für ihn ist es nämlich ganz und gar nicht klar, dass seine Seilbahn heuer nicht mehr dabei ist. Er habe sich jedenfalls diesbezüglich nie geäußert, im Gegenteil: "Es ist mein Wunsch, dabei zu sein!" Nicht dabei zu sein, sei einfach keine Alternative, zu marktbeherrschend sei das Produkt im Hochtal.

Allein' auf weiter Flur

Stecher scheint mit seiner Ansicht aber alleine da zustehen. Im Schreiben der ARGE an die Vermieter wird nämlich auch berichtet, dass mittlerweile ein Gesellschaftervertrag erstellt wurde, "der als Grundlage für eine reibungslose Zusammenarbeit 'BI2021' (Bergbahnen inklusive, Anm.) dient."
Und weiter: "Die Gesellschafter (Sonnenbergbahnen Grän, Tannheimer Bergbahnen, Kommunalbetriebe Grän) haben sich einstimmig bereit erklärt die Liftgesellschaft Nesselwängle mit aufzunehmen, soweit sie vollinhaltlich die Vorgaben und Richtlinien akzeptiert. Die Liftgesellschaft Nesselwängle hat das Angebot nicht angenommen."

Weitere Informationen aus dem Bezirk Reutte finden Sie unter
www.meinbezirk.at

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