Auszug aus "Unglaubliche Luftfahrtgeschichten"
Mit Hammer und Meißel zum Segelflugschein
- hochgeladen von Gerhard Gruber
Getrieben von meinem Wunsch zu fliegen, radelte ich im Sommer 1970 als 16-jähriger Schüler dorthin, wo die Flugzeuge landeten. Es war der Flugplatz Kottingbrunn, er hat heute den Namen Bad Vöslau. Etwas unsicher ging ich auf die Gruppe der Segelflieger zu und fragte, ob ich zusehen dürfe. Es dauerte nicht lange, bis ich wusste, da möchte ich dazugehören.
Es waren Ferien und ich fuhr nahezu täglich zum Flugplatz. Schon bald wurde mir der Segelfluglehrer Josef (Pepi) Fischer vorgestellt. Er musterte mich von oben bis unten und sagte trocken, du bist zu leicht. Ich hätte mit allem gerechnet. Zu jung, zu klein, zu schwach usw., aber zu leicht? Eigentlich dachte ich, je leichter, umso besser.
Pepi Fischer sah die großen Fragenzeigen in meinen Augen und sagte nur: Ich zeige dir etwas. Er ging zum zweisitzigen Schulflugzeug, öffnete die Kabinenhaube und zeigte mir einen Aufkleber im Cockpit. Darauf stand, „bei zweisitzigen Flügen im vorderen Sitz maximal 100 kg und mindestens 55 kg“. Das war unbedingt einzuhalten. Bei Nichtbeachtung reagiert ein Flugzeug mit kritischen Flugeigenschaften, die im Extremfall zu einem Absturz führen können.
Das Schulflugzeug war ein Bergfalke mit dem Kennzeichen OE-0363. Während der Schulung sitzt der Flugschüler vorne und der Fluglehrer hinten. Der hintere Sitz ist etwa im Schwerpunkt des Flugzeugs und hat daher kein Mindestgewicht. Für meinen vorderen Sitz fehlten aber aufgrund meiner 48 kg noch 7 kg. Da niemand im Verein ein ähnlich geringes Gewicht hatte wie ich, war dieses Problem bislang noch nie aufgetreten. Pepi meinte pragmatisch, ich solle mir einfach einen 7-Kilo-Sandsack anfertigen – der würde dann auf den Sitz gelegt, und ich müsste mich daraufsetzen.
Das Anfertigen des Sandsacks war schwieriger als gedacht. Die Profisandsäcke bestehen aus einem dichten Stoff und haben als Füllung Sand mit der richtigen Körnung. Beim Draufsetzen passt sich der Sack dem Gesäß an und ergibt so eine bequeme Sitzschale. Ich hatte weder den Stoff noch den richtigen Sand und musste daher improvisieren.
Mein Sack bestand aus mehreren Einkaufstaschen aus Plastik und als Sand fand ich nur einen ganz feinkörnigen Schließsand. Er wurde von meinem Vater zum Eingipsen von Elektrodosen in die Mauer verwendet. Ich war froh, überhaupt etwas gefunden zu haben, und begann mit dem Füllen. Der Moment der Wahrheit kam, als ich mit dem Sack auf die Waage stieg. Ich war noch immer um 2 kg zu leicht.
Da mein Sack mit Sand schon randvoll war, kam mir die Idee, Metall in den Sand zu geben. Ich suchte das ganze Haus ab und fand in der Werkstätte Meißeln zum Stemmen in der Wand und einige Hämmer. Ich vergrub alle Teile im Sandsack und verklebte ihn mit einigen Metern Isolierband. Die gute Nachricht war, dass er nun das erforderliche Gewicht hatte. Die schlechte Nachricht war, dass er eine eher bauchige Form hatte. Beim Draufsetzen verhinderte der verklebte, feinkörnige Sand jedwede Anpassung an mein Gesäß. Meine Schulflüge endeten daher jedes Mal mit einem schmerzenden Hintern.
Bei jedem Einsteigen in das Segelflugzeug wurde ich mit meinem plumpen und harten Sandsack von den Kameraden mitleidig belächelt. Nach einigen Wochen erbarmte sich ein Vereinsmitglied und überreichte mir einen Profisandsack. Mein Hintern dankte es. Es dauerte noch eine Zeit, bis mein natürliches Wachstum mehr Gewicht auf der Waage anzeigte und ich ohne Sandsack fliegen durfte.
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Zu den Fotos:
Der Bergfalke Kennzeichen OE-0363.
Der Aufkleber im Cockpit mit den Gewichtsangaben.
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