Zentralfriedhof
Ein Steinmetz-Lehrling formt die Zukunft aus Stein
Die Friedhöfe Wien haben am Zentralfriedhof einen Lehrling für den Steinmetz-Beruf aufgenommen. In einer Zeit, in der handgefertigte Grabsteine eine immer seltener werdende Kunst sind, wird die Bedeutung dieser Ausbildung nur allzu deutlich.
WIEN/SIMMERING. Philip Schlichtner, der 18-jähriger Lehrling, begann im September seine dreijährige Ausbildung zum Steinmetz und lud die BezirksZeitung ein, ihn in seine Werkstatt und an seinen neuen Arbeitsplatz am Zentralfriedhof zu begleiten. Während er mit Hammer und Meißel einen Steinblock bearbeitet, erzählt er von seiner Motivation und Leidenschaft für diesen einzigartigen Handwerksberuf.
Im vergangenen Jahr waren nur 126 Personen in ganz Österreich in der Steinmetz-Lehre, was diese zu einer äußerst seltenen Ausbildung macht. Doch die Bedeutung dieser Lehre wird durch die Tatsache unterstrichen, dass Grabsteine immer noch hauptsächlich per Hand gefertigt werden, um die individuellen Geschichten und Erinnerungen der Verstorbenen zu bewahren.
Für Philip Schlichtner hat der Zentralfriedhof als Arbeitsstätte eine besondere Bedeutung. Abgesehen davon, dass er in Simmering aufgewachsen ist und immer noch in diesem Bezirk lebt, schätzt er den Friedhof auch persönlich als Ort der Ruhe und zum Spazierengehen.
Geschichten erzählen
"Jeder Grabstein, jeder Mensch hat seine eigene Geschichte", erklärt er und betont die Wichtigkeit seines Berufs, der Familien ermöglicht, ihren Verstorbenen zu gedenken. Er sieht eine vielversprechende Zukunft für das Handwerk, da die handgefertigten Grabsteine eine emotionale Verbindung zu den Verstorbenen herstellen.
Obwohl Philip Schlichtner gerade erst seine Lehre begonnen hat, kann er bereits fachkundig die Unterschiede zwischen Spitzeisen, Sprengeisen, Zahneisen und Gradeisen erläutern. Seine Motivation für diesen Beruf entspringt dem Wunsch, körperlich aktiv zu sein. Anfangs war er unsicher, ob dies der richtige Weg für ihn ist, aber nach einem Schnuppertag war er von der Arbeit als Steinmetz begeistert.
Mit Gravur gemeistert
Die Aufgaben eines Steinmetzes oder einer Steinmetzin auf dem Friedhof umfassen nicht nur das Formen neuer Grabsteine, sondern auch die Restaurierung und das Öffnen von Grabsteinen. Obwohl die Lehre zum Steinmetz oder zur Steinmetzin bei weitem nicht so beliebt ist wie beispielsweise die des Tischlers, der Tischlerin oder im Bereich der KFZ-Technik, ist Philip Schlichtner der erste Steinmetzlehrling auf dem Zentralfriedhof seit über zehn Jahren. Er ist sich sicher, dass der Beruf unverzichtbar ist.
Für die theoretische Ausbildung besucht Philip Schlichtner die Berufsschule in Schrems. Außerdem hat er vor, in Zukunft auch die Kunst der Gravur an Grabsteinen zu lernen. Nicht alle Steinmetze oder Steinmetzinnen können auch Gravuren anfertigen. "Dafür braucht man eine feine Hand, eine künstlerische Begabung und viel Geduld, weil so eine Schrift schon ein paar Tage dauert," erklärt der engagierte Lehrling.
Philip Schlichtner ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie ein junger Mensch die Tradition des Steinmetz-Handwerks aufrechterhält und in die Zukunft trägt. Seine Hingabe und sein Talent sind ein wertvoller Beitrag zur Bewahrung der Erinnerungen und Geschichten, die auf dem Wiener Zentralfriedhof ruhen.
Das könnte dich auch interessieren:
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.