Die Glaubenskirche und ihr Architekt Roland Rainer
Ein Stück Denkmalschutz in der Simmeringer Braunhubergasse
Wer sich in die eher unscheinbare und verkehrstechnisch eher abseits gelegene Braunhubergasse begibt, kann auf Hausnummer 20 ein überraschendes Stück Denkmalschutz entdecken – die Glaubenskirche der evangelischen Pfarrgemeinde Simmering, entworfen von Architekt Roland Rainer.
Dabei bleibt die Glaubenskirche nach außen weitgehend unscheinbar und ist kaum als Kirche zu erkennen. Lediglich der kleine Glockenturm mit den drei Glocken namens „Glaube“, „Liebe“ und „Hoffnung“ gibt einen kleinen Hinweis. Das Kirchenschiff präsentiert sich als hoher, weißer Kubus, dessen größte Auffälligkeit die ausgeprägte Nüchternheit ist.
Einer von fünf Kirchenbauten Roland Rainers
1962/63 wurde die Glaubenskirche nach einem Entwurf, mit dem Architekt Roland Rainer zehn Jahre zuvor einen Wettbewerb für eine evangelische Musterkirche gewonnen hatte, als 100. evangelische Kirche nach Ende des Zweiten Weltkriegs errichtet. Damals in einem Industrieviertel angesiedelt, heute von umliegenden Wohnbauten überragt, ersetzte der Bau eine gleichnamige, Anfang der 50er-Jahre erbaute „Barackenkirche“ aus Holz. Österreichweit wurden von Roland Rainer, der unter anderem auch für die Architektur der Stadthalle und des ORF-Zentrums in Wien verantwortlich zeichnet, lediglich fünf Kirchenbauten entworfen und realisiert – drei in Oberösterreich, einer in Niederösterreich und eben die Glaubenskirche als Unikat in Wien.
Eintritt in eine andere Welt
Das Besondere der Architektur der Glaubenskirche erschließt sich erst richtig, wenn man durch die Pforte von der Braunhubergasse aus in den kleinen Innenhof tritt – eine Art Eintritt in eine andere Welt. Der begrünte Hof wird im Geviert vom Kirchengebäude und dem angeschlossenen Gemeindezentrum umschlossen. Oder, wie es der Architekt, Literat und Architekturkritiker Friedrich Achleitner in seinem Standardwerk zur österreichischen Architektur des 20. Jahrhunderts formulierte: „Roland Rainer hat versucht, auf dem kleinen, damals von Industriebauten umgebenen Grundstück bewusst die Insel einer religiösen Gemeinschaft zu artikulieren, indem er einerseits die charakteristischen städtebaulichen Elemente (umgrenzende Mauer, eingeschlossener Hof) aufnahm, andererseits durch den Baukörper des Saales und den Glockenträger eine Zeichenhaftigkeit erreichte, die der Semantik des katholischen Kirchenbaus ebenbürtig war.“
Von Kreuz aus Glasziegeln geprägt
Das Innere der Kirche ist ebenso nüchtern wie das Äußere, bis hin zum Boden aus Asphalt. Durchbrochen wird die Nüchternheit durch Fichtenholz, etwa bei den Beleuchtungskörpern, die ziegelartige Mauergestaltung – und vor allem Glas. Die Hinterwand des Altars wird von einem Kreuz aus Glasziegeln, dem zentralen Merkmal der Glaubenskirche, geprägt, das praktisch die gesamte, sehr große Höhe des Kirchen-Kubus ausfüllt. Ein großes Glasfenster auf Bodenhöhe hinter dem Altar eröffnet den Blick in den Garten. Eine weitere große, ebenfalls auf Bodenhöhe liegende Glasfläche gibt von den Kirchenbänken aus den Blick in den Innenhof frei.
„Raum für Spiritualität“
„Wer die Glaubenskirche betritt, wechselt vom Lärm der Straße in eine Ruhezone. Der hohe Raum der Kirche mit ihrem ganz spezifischen Licht schafft eine Fülle an Raum für Spiritualität. Das ich empfinde ich gerade auch persönlich sehr, sehr stark“, so Anna Kampl, die Pfarrerin der Evangelischen Pfarrgemeinde Simmering. „Durch die Schlichtheit im Inneren lässt es sich gut auf das Wesentliche konzentrieren.“
Gedanken von Roland Rainer zur Glaubenskirche, sowie eine umfassende Fotoserie finden Sie hier in der nächsten Woche.
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