Unser Boden - unser Leben
In der Weinregion sterben die Winzer aus
Wein gehört zum Bezirk Baden wie das Schnitzel zu Wien. Die Thermenregion ist eines der 17 spezifischen Weinbaugebiete Österreichs. In den vergangenen Jahren werden die Weingärten weniger. Sterben die Hauer aus?
THERMENREGION. Es wird ein Wein sein - oder wird er bald nimmer sein? Immer mehr Weinhauer in der Region hören auf. Weingärten verschwinden, Heurigen stecken nicht mehr aus. Den Grund sieht Weinforum-Obmann Heinrich Hartl im Absatzproblem von Trauben und Wein. Auch den Klimawandel spüre man schon deutlich.
Keine Nachfolger
Im Bezirk Baden haben laut Landwirtschaftskammer NÖ im Jahr 2020 319 Betriebe 1.433,44 Hektar Weingärten bewirtschaftet. In der gesamten Thermenregion, die auch den Bezirk Mödling betrifft, waren es lt. "Dokumentation Österreich Wein" im Jahr 2022 1.872 Hektar und 554 Betriebe. Ein Jahr davor gab es noch 630. Ein deutlicher Rückgang, den auch Heinrich Hartl, Obmann Regionales Weinkomitée und Winzer aus Oberwaltersdorf, bedauert:
"Der Strukturwandel in der Landwirtschaft, auch im Weinbau, schreitet weiter voran – gerade bei kleinen Produzenten gibt es keine Nachfolge."
Auch größere Betriebe kämpfen aufgrund schlechter Preise und zu wenig Nachfrage nach Trauben. Die Folge: Weingärten werden gerodet.
Derzeit werden laut Hartl drei bis fünf Prozent der Weinbaufläche in der Region pro Jahr aufgelassen. Der Grund: Absatzprobleme von Trauben und Wein.
Von 42 auf drei Weinbauern
Das Beispiel Trumau zeigt deutlich, wie die Weibauern sukzessive aus den Ortsbildern der Region verschwinden: Gab früher bis zu 42 Heurigenbetriebe - diese wurden in Trumau "Leutgeb" genannt - sind es heute nur noch drei: Weingut Artner, Weinbau Scheibenreif und Weinbau Karl Maringer. Das örtliche Weinfest ist schon seit Ende der 1970er Geschichte.
"Bis 2007 konnte man noch an jedem Tag im Jahr beim Heurigen einkehren",
weiß Markus Artmann, geschäftsführender Gemeinderat in Trumau. Heute geht das nicht mehr.
Niederösterreich bleibt weiterhin mit 28.543 ha oder 61,8% das größte weinbautreibende Bundesland Österreichs. Allerdings gibt es laut Statistik Austria gibt es einen starken Rückgang an Winzern in Niederösterreich. In den letzten fünf Jahren, zwischen 2015 und 2020, gaben 1.265 Weinbauern ihren Betrieb auf. Trotzdem stieg landesweit gleichzeitig die Anbaufläche. In der Thermenregion ist der Schwund laut Hartl überdurchschnittlich – "in einem fast besorgniserregenden Ausmaß."
Folgen des Klimawandels
Längeres Trockenperioden und Starkregen machen sich auch in der Thermenregion bemerkbar. Bewässerung wird immer wichtiger, aber nicht überall ist ausreichend Wasser verfügbar.
Grün gegen Trockenheit
Winzer Toni Rauscher aus Leobersdorf hat ein Mittel gegen die Trockenheit: 1993 begann er, jede zweite Weingartenzeile zu begrünen, um den Humusgehalt zu steigern und die vorhandene Feuchtigkeit des Bodens für die Rebstöcke zu nutzen. Die positiven Effekte stellten sich rasch ein: Die Reben wachsen gleichmäßiger, Pflanzenkrankheiten und Abschwemmungen nach Starkgewittern verschwanden.
Durch die höheren Temperaturen verändert sich auch der Wein: mehr Zuckergehalt, höhere Alkoholwerte, geringere Säure. Die Ernte erfolgt früher. "St. Laurent wird immer als großer Gewinner gesehen, da diese Sorte im Zucker nicht über 18 Grad KMW (Anm.: Klosterneuburger Mostwaage) geht. Spätreife Sorten können besser damit umgehen", weiß Hartl. Schon 2022 herrschte bei den Rotweinwinzern in der südlichen Thermenregion Freude über kraftvolle Rotweine. Zweigelt, St. Laurent und Pinot Noir zählen zu den häufigsten Sorten des Gebiets.
Übrigens: Bei einem Weinfest in Trumau präsentierten die hiesigen Winzer laut Artmann noch einen Katalog mit 60 Sortenweinen. So viele gibt es längst nicht mehr in der Region. Bleibt zu hoffen, dass die typischen Weißweine wie Rotgipfler, Zierfandler, Veltliner, Neuburger & Co. nicht der Erderwärmung zum Opfer fallen und aus unseren Breiten verschwinden.
Weinbaugebiet Thermenregion:
Wein in Zahlen:
- Anbaufläche 2022: 1.872 ha
- davon Qualitätswein Weiß: 978,24 ha (52,3%)
- Qualitätswein Rot: 793,83 ha (42,4%)
- Anzahl Betriebe 2022: 554
- Anzahl Betriebe 2021: 630
- Anbaufläche NÖ: 28.543 ha
Anbaufläche 2022 in Hektar. Qualitätswein-Rebsorten in alphabetischer Reihenfolge:
- Blauer Burgunder (Pinot Noir) 110,50 ha (5,9%)
- Chardonnay (Morillon) 105,65 ha (5,6%)
- Blauer Portugieser 100,92 ha (5,4%)
- Merlot 58,45 ha (3,1%)
- Grüner Veltliner 182,06 ha (9,7%)
- St. Laurent 127,79 ha (6,8%)
- Muskateller 42,86 ha (2,3%)
- Zweigelt 260,29 ha (13,9%)
- Neuburger 97,53 ha (5,2%)
- Rotgipfler 108,25 ha (5,8%)
- Weißer Burgunder (Pinot Blanc) 76,09 ha (4,1%)
- Riesling 72,97 ha (3,9%)
- Welschriesling 83,95 ha (4,5%)
- Zierfandler (Spätrot) 60,19 ha (3,2%)
- Summe QW-Sorten weiß: 978,24 ha (52,3%)
- Summe QW-Sorten rot: 793,83 ha (42,4%)
- Summe sonstige Sorten 86,16 ha (4,6%)
- Summe Rebsortenwein 13,96 ha (0,7%)
Bepflanzte Weingartenfläche nach Alter der Rebstöcke:
- 57 Hektar unter 3 Jahre
- 253 Hektar 3 bis 9 Jahre
- 899 Hektar 10 bis 29 Jahre
- 664 Hektar 30 Jahre und älter
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