„Big Brother“ liest Rathaus-Post mit!
Rathaus: EDV-Administrator erhält eingehende Mails in Kopie. Aufschrei: „Möglichkeit zur Bespitzelung!“
VÖLKERMARKT. Zufälle bestimmen das Leben, besagt ein Sprichwort. Durch einen solchen Zufall stieß der Völkermarkter FPK-Stadtrat Hans Steinacher auf einen Umstand, der unglücklich ein schiefes Licht auf das Rathaus wirft.
Was war geschehen? Steinacher schrieb eine E-Mail an einen Sachbearbeiter im Rathaus. Groß war sein Staunen, als er plötzlich vom System-Administrator, einer dritten Person, eine Lesebestätigung erhielt. „Zuerst habe ich gedacht, ich hätte einen Fehler gemacht und irrtümlich diese E-Mail an eine falsche Adresse geschickt“, berichtet Steinacher. Nach Rücksprache mit dem Administrator stellte sich jedoch eine skurrile Situation heraus. „Der Administrator hat mir mitgeteilt, dass er alle eingehenden E-Mails, die an E-Mail-Adressen der Stadt adressiert sind, in Kopie erhält“, schüttelt Steinacher den Kopf.
Und weiter: „Das heißt, er kann theoretisch den kompletten E-Mail-Verkehr mitlesen, auch wenn es sich um vertrauliche Nachrichten handelt.“ Steinacher findet deutliche Worte: „Ich will niemandem etwas unterstellen, aber allein dass die Möglichkeit zur Bespitzelung besteht, ist ein Skandal!“ Den betroffenen System-Administrator nimmt er in Schutz: „Er hat mir selbst gesagt, dass es ihn stört, am Tag oft hunderte E-Mails zu bekommen.“ Für Steinacher drängen sich zwei Fragen auf: „Wer weiß davon, dass der Administrator alle E-Mails erhält und – wer hat womöglich noch diese Rechte?“
Die Kärntner WOCHE konfrontierte Bürgermeister Valentin Blaschitz (SPÖ) mit diesem Fall. Der betonte glaubhaft: „Davon weiß ich nichts! Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass das so ist.“
Internet-Anbieter wechseln
Auf Empfehlung des Bürgermeisters wandte sich die Kärntner WOCHE an den betroffenen System-Administrator, der diesen Umstand bestätigt. Nachsatz: „Dabei handelt es sich um eine Einstellung, die vor meiner Zeit gemacht worden ist.“ Er vermutet, dass es deshalb so eingestellt worden ist, um Viren abzufangen oder früher erkennen zu können und somit das System zu schützen. Wenn es nach ihm geht, soll diese Funktion jedoch schon bald der Vergangenheit angehören. „Wir werden in den nächsten Wochen den Internet-Anbieter wechseln. Im Zuge dessen sollte diese Funktion abgestellt werden.“
Von der Kärntner WOCHE auf dieses Thema angesprochen, reagiert auch Stadtrat Karl Kräuter (ÖVP) empört: „Da wird eindeutig die Privatsphäre verletzt!“ Er habe ein ungutes Gefühl, jetzt zu wissen, dass jemand die E-Mails lesen kann. „Wir tauschen ja vertraulich auch interfraktionell Meinungen aus, bereiten mit Sachbearbeitern Reden vor oder erhalten nicht für jedermann bestimmte Nachrichten von der Landesparteispitze“, spannt Kräuter gedanklich den Bogen weiter.
Auch Steinacher denkt über die Stadtgrenzen hinaus, zumal ja viele Gemeinden wie Völkermarkt den Landes-E-Mail-Server ktn.gde.at nutzen. „Wenn es diese Einstellung in Völkermarkt gibt, warum soll es sie nicht auch in anderen Gemeinden geben?“, macht Steinacher aufmerksam.
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