Landau: "Asylzahlen wurden in zehn Jahren halbiert"
Im Sommerinterview hält Caritas-Präsident Michael Landau das Dublin-System für gescheitert, denn hier werden Menschen "wie Pakete hin- und hergeschoben".
Sie haben die Debatte zum Thema Asyl als „unwürdiges politisches Sommertheater“ bezeichnet. Bleiben Sie dabei?
„Der Zuwachs von Asylanträgen vom ersten Halbjahr 2013 auf das erste Halbjahr 2014 betrug 1,9 Prozent. Diese Zahlen liegen deutlich unter jenen von vor zehn Jahren. Damals gab es doppelt so viele Asylanträge. Das Thema ist aus meiner Sicht herbeiverwaltet.“
Inwiefern?
„Erstens müssen die Länder ihre Verpflichtungen auf Punkt und Beistrich erfüllen. Das gehört zu einem funktionierenden Rechtsstaat dazu. Zweitens hatte das neu geschaffene Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen Anlaufschwierigkeiten. Dort kommt es zum Rückstau bei der Bearbeitung von Asylverfahren. Die Politik muss jetzt dringend miteinander Lösungen suchen.“
Im Burgenland hat man in einer Panikreaktion verlassene Kasernen aufgekauft. Lösungen sehen anders aus.
„Es besteht Handlungsbedarf, weil hier die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zahnlos erscheint. Faktum ist, dass Großlager nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Ich war jüngst im Libanon. Dieses Land ist so groß wie Tirol und hat bei einer Bevölkerung von etwas über vier Millionen mehr als eine Million Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Dort sind Zeltlager ein Drama. In Österreich sind sie ein unnötiges Drohszenario.“
Soll der Bund, der 60 Prozent der Kosten trägt, die Länder mehr in die Pflicht nehmen?
„Die Aufgaben sind absolut zu bewältigen. Zentral geht es um rasche, qualitätsvolle Verfahren und mehr Verbindlichkeit zwischen Bund und Ländern. Die Caritas versorgt hierzulande aktuell in 45 Häusern schon mehr als 2.700 Flüchtlinge. Selbstverständlich stehen auch Kirchen und Klöster in Notsituationen zur Verfügung. Es gibt jedoch derzeit keinen Notstand und es besteht daher keine Notwendigkeit für solche außerordentlichen Maßnahmen.“
Österreich hat 2013 mehr Syrer zurückgewiesen, als es eigentlich aufnehmen wollte. Wie passt das zusammen?
„Ich glaube, dass das Dublin-System, nach dem Menschen wie Pakete hin- und hergeschoben werden, gescheitert ist. Zu einer europäischen Lösung gehören auch gemeinsame Standards in den Asylverfahren und bei der Versorgung von Menschen, die auf der Flucht sind.
Wenn die Innenministerin hier zu einem humanitären Schulterschluss aufruft, dann hat sie hier unsere Unterstützung. Ich glaube, dass Österreich eine humanitäre Vorreiterrolle einnehmen könnte, wenn wir unsere Hausaufgaben machen, wie etwa einheitliche Mindeststandards bei Quartieren zu schaffen.“
Angesichts der vielen Krisenherde wird der Flüchtlingsstrom wohl steigen. Bedarf es nicht auch einer raschen europäischen Lösung?
„Ich glaube, dass wir gerade in Fragen, in denen es um Flucht und Asyl, aber auch um Armut und Soziales geht, viel mehr Europa brauchen. Wir müssen bei den Ursachen und in den Heimatländern der Menschen ansetzen. Doch Österreich will 2015 die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit um 17 Millionen Euro kürzen.
Mit einer Million Euro lassen sich 12.000 Menschen nachhaltig aus der Armut befreien. Das sind auch 12.000 Menschen weniger, die wackelige Boote besteigen oder auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken.“
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