„Das hat nichts mit Deppert zu tun!“
Univ.Prof. Dr. Martin Friedrich verweist im Rahmen der Mini Med-Studienreihe an der Donau- Universität Krems auf die Bedeutung von Depressionen in Zusammenhang mit Erkrankungen der Wirbelsäule. Gleichzeitig erklärt er die neuesten Behandlungsstrategien, wenn das „Achsenorgan des Bewegungssystems“ Schmerzen bereitet.
Wenig überraschend, dennoch alarmierend: Rückenschmerzen sind der Hauptgrund für Bewegungs-Beeinträchtigungen bei Menschen unter 45. Ob Rückenschmerzen medizinisch als akut, subakut und chronisch bezeichnet werden hängt von deren Dauer - zwischen einer Woche und länger als drei Monaten bzw. wiederkehrend - ab. Die Ursachen sind entweder „unspezifisch“ (unergründet, 85% der Fälle) oder „spezifisch“, z.B. im Zuge von Infektionen oder Tumoren. Interessante Erkenntnis: Nicht jeder Bandscheibenvorfall ist schmerzhaft und bleibt somit oft unbemerkt, je nachdem, inwieweit ein Nerv davon beeinträchtigt wird.
Speziell Rückenschmerzen ziehen eine Reihe von Verhaltensmustern nach sich, die neben der körperlichen auch gesellschaftliche Komponenten haben können: depressiv-pessimistische Stimmungen, Existenzängste, soziale Selbstisolation und die Überzeugung, unter gefährlichen, dauerhaft stark beeinträchtigenden Schmerzen zu leiden. „Das Problem dabei ist, dass dieses Verhalten die Risiken für chronische Schmerzen, langfristige Funktionsbeeinträchtigung und Arbeitslosigkeit extrem erhöht. Eine Spirale aus körperlicher und psychischer Beeinträchtigung“, so Friedrich.
Fakten
Mehr als die Hälfte chronischer Schmerzpatienten entwickelt eine Depression. Während bei 60% der Schmerzpatienten eine Depression vorliegt, weisen „nur“ 27% der Depressiven eine Schmerzsymptomatik auf. Friedreich: „Eine Depression hat doch nichts mit Deppert zu tun, die Gesellschaft muss akzeptieren lernen, dass psychische Erkrankungen in sehr vielen Fällen Auslöser körperlicher Beschwerden und Schmerzen sein können.“
Wie kann sich ein Betroffener selbst motivieren? „Wichtig ist die Rückkehr zu normalen Aktivitäten, körperlich aktiv zu bleiben, sich mit dem Schmerz auseinanderzusetzen, Strategien zur Gesundung auszuarbeiten. Anfänglich ist es sogar notwendig, Aktivitäten trotz vorübergehender Schmerzzunahme zu steigern. Erst, wer diese Punkte lebt, lässt dem Schmerz weniger Bedeutung zukommen, glaubt daran, mit Problemen selbst umgehen zu können und übernimmt Kontrolle und Verantwortung.“
Ein „unvermeidlicher“ Punkt zur Schmerzreduktion ist die Heilgymnastik, Begleiter fast aller Kuren und Reha-Programme. „Es gilt, den durch Kreuzschmerzen auftretenden Defiziten in Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer, Koordination und Schnelligkeit entgegen zu wirken“, so Friedrich.
Medizinisch-therapeutische Maßnahmen
Neben den - je nach Wirkungsgrad - vier Medikament-Gruppen gibt es die Möglichkeit von Injektionen, die zielgerechter zum Einsatz kommen und für eine bestimmte Dauer Erleichterung verschaffen. Wirkungsvoller, da punktueller einsetzbar, sind Infiltrationen, die mithilfe von Röntgen direkt beim Schmerzauslöser injiziert werden. Hier hängt der Therapieerfolg von der „Treffsicherheit“ ab.
Ganzheitliche Methode
Zum Abschluss verweist Friedrich auf das Biopsychozoziale Modell. Die Kombination mehrerer Methoden für Körper und Geist - medikamentöse, physiologische und psychologische Behandlungen - führen zu einem spürbaren Erfolg. Die wesentliche Botschaft für Betroffene: „Es gilt nicht, die Wirbelsäule zu behandeln sondern den ganzen Menschen."
Buchtipp
Interessante Links
Mini Med-Programm Krems
Univ.Prof. Dr. Martin Friedrich
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