Am eigenen Leib: Mit dem Notarzt im Dienst

Notfallsanitäter Stephan Vitéz mit einem der drei Rucksäcke am NEF Kufstein.
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  • Notfallsanitäter Stephan Vitéz mit einem der drei Rucksäcke am NEF Kufstein.
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KUFSTEIN (nos). "Dienstübergabe ist um 6.45 Uhr", erklärte Stephan am Vortag, als wir uns noch einmal für unseren gemeinsamen Tag am Notarztstützpunkt in Kufstein verabredeten. 6.45 Uhr ist nicht meine Zeit, normalerweise drehe ich ich da noch ein letztes Mal im Bett um.
Also fahre ich am nächsten Tag früh Richtung Krankenhaus, wo der Stützpunkt angeschlossen ist – und das NEF kommt mir entgegen. NEF steht für "Notarzt-Einsatzfahrzeug". Ein Notfallsanitäter, an diesem Tag Stephan Vitéz, und ein Notarzt, in diesem Fall Dr. Michaela Zacke-Zumtobel, besetzen das Fahrzeug gemeinsam. So können sie schnell und flexibel zu den Einsätzen ausrücken, wenn notwendig auch direkt von einem Einsatz zum Nächsten, wenn es der Zustand des Patienten zulässt. Heute früh waren sie offenbar sehr flexibel.

Auto checken, Material nachfüllen

"Das Auto passt, da hast du den nächsten Einsatz", hat ihm Thomas noch entgegengerufen, als er Stephan den Autoschlüssel in die Hand drückte. Nach zwölf Stunden Nachtdienst und fünf Einsätzen kam ihm die Ablösung gerade recht.
Als Stephan und Michaela wieder in die Wache einrücken, steht erstmal das Standardprogramm an, Kaffee gibt's erst später. "Jetzt füllen wir das verbrauchte Material und die Medikamente nach, dann kontrollieren wir das Auto", gibt Stephan die Aufgaben vor. Wir schnappen uns die Rucksäcke und nehmen sie mit ins Lager.
Es ist in verschiedene Hygiene-Bereiche aufgeteilt, "um keine Infektionen hereinzutragen", erklärt Stephan, als er die großen Schränke aufsperrt, in denen sich das Nachfüllmaterial befindet. Notärztin Michaela schnappt sich die Checkliste und dann geht das eingespielte Team Punkt für Punkt durch, was drin sein soll und was nachgefüllt werden muss. Wir teilen uns die Arbeit auf: Michaela liest vor, ich zähle nach, Stephan holt die fehlenden Stücke aus dem Lager. Die werden über einen Strichcode-Scanner aus dem Lagerstand gebucht. "Früher hatten wir Zettel, Materialentnahmescheine, mit dem Scanner geht das heute viel einfacher", freut sich Stephan.
Der Rucksack ist wieder einsatzbereit, also machen wir uns an die Geräte. Auch die müssen bei jedem Dienstantritt überprüft werden, im Erstfall müssen sie ja funktionieren, "da checkt man lieber zwei mal am Tag", meinen Stephan und Michaela unisono.
Michaela ist Anästhesie-Oberärztin am Krankenhaus Kufstein, seit 1998 ist sie als Notärztin aktiv. Das macht sie nicht nur in Kramsach und Kufstein, den beiden NEF-Stützpunkten im Bezirk, sondern etwa auch in Innsbruck oder Hall. Sie ist gern im Bezirk Kufstein unerwegs, wie sie erzählt, besonders die Qualität der Ausbildung der Sanitäter habe sie in Kufstein überzeugt. Neben Innsbruck war Kufstein über Jahre hinweg ein Innovationsmotor für den Rettungs- und Notarztdienst im Land.
Während Michaela und Stephan über Notkompetenzen für Sanitäter diskutieren, nehme ich mir Beatmungsgerät und Defibrillator vor. Funktionsüberprüfung, Sauberkeit, Ladestand – alles in Ordnung. Endlich gibt's einen Kaffee.

Was tun, wenn kein Einsatz kommt?

Wir setzen uns hinter's Haus auf eine kleine Terrasse. Der Platz wirkt idyllisch, läge er nicht direkt in der Einflugschneise der Notarzthubschrauber, die sich an manchen Tagen auf dem Dach des Krankenhauses sozusagen die Klinke in die Hand geben. "Gestern sind wir kein einziges Mal ausgerückt, dafür war dauernd der Heli unterwegs", erzählt Stephan. Bestimmt wird das von der Leitstelle Tirol – je nachdem, wo sich der Einsatzort befindet und wie dringend ein Arzt beim Patienten sein muss, entscheidet die Leitstelle welchen Arzt sie disponiert, den am Auto oder den im Heli. Was macht das NEF-Team dann die zwölfstündige Schicht über? "Da wird uns trotzdem nicht langweilig", schmunzelt der Notfallsanitäter. Es gäbe immer etwas zu tun: Material überprüfen, Lagerstände kontrollieren, aufräumen, putzen, Büroarbeit, Fortbildung, Einsatznachbesprechungen ...
Wir unterhalten uns über das Notarztsystem, die medizinische Versorgung im Bezirk. "Es ist schon ein Thema, dass es keinen hausärztlichen Notdienst mehr gibt", meint Dr. Zacke-Zumtobel. Seitdem gäbe es immer mehr Alarmierungen zu "Notfällen", die eigentlich Sache eines Hausarztes wären. Zum Glück ist der Bezirk Kufstein, was die Notärztliche Versorgung angeht, gut aufgestellt: Zwei NEF-Stützpunkte, ein Hubschrauber in Schaftenau, zwei weitere Helis in den Nachbarbezirken und ein NEF in Kiefersfelden. Dass alle gleichzeitig unterwegs sind, ist selten, kommt aber vor.

Hingreifen!

Für Notärztin Michaela ist auch deshalb besonders die Breitenausbildung wichtig. "Die Angst vor dem Hingreifen ist bei Laien immer noch groß", stellt die Medizinerin fest, "dabei ist das schlechteste, was du tun kannst, nicht zu helfen". Die meisten Leute machen ihren Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein und blenden das Thema danach wieder aus.
Und dann piepst es plötzlich doch noch. Der Wörgler Rettungswagen hat das NEF nachgefordert, die Patientin ist nicht ansprechbar, hat offensichtlich Alkohol und Antidepressiva genommen, eine gefährliche Kombination. Stephan und Michaela legen der Bewusstlosen einen Venenzugang, verabreichen ihr Flumazenil, ein "Gegengift" für Benzodiazepine. Die Patientin kommt in den Rettungswagen und wir rauschen mit eingeschaltetem Blaulicht und Sirene ins Krankenhaus, in den "Schockraum" der Internen Ambulanz.
Es ist jetzt nach 18 Uhr. Wir füllen wieder Material nach. Um 19 Uhr ist die Schicht vorbei, 15 Minuten vorher sollte die Ablöse da sein. Dann beginnt das Ganze wieder von vorne.

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