Niederösterreich ist das Land der Abkassierer

10Bilder

Österreich zahlt mehr in die EU ein, als wir an Förderungen zurückbekommen. Ist das ein gutes Geschäft?
Karin Kadenbach (SPÖ):
Die Österreicher sind zwar Nettozahler, wir Niederösterreicher sind aber auch Nettoprofiteure. Wir zahlen aus Niederösterreichischen Steuermitteln 270 Millionen Euro in die EU ein. Wir bekommen aber 700 Millionen Euro in Form von Förderungen für die Landwirtschaft und Wirtschaft. Außerdem sind wir ein Exportland und durch die EU profitieren unsere Betriebe und schaffen auch Kaufkraft.
Ewald Stadler (Rekos): Österreich zahlt derzeit 812 Millionen Euro mehr in die EU ein, als wir zurückbekommen. Seit 2008 hat sich der Beitrag fast verdoppelt. Und von dem was wir zurückbekommen gehen 70 Prozent in die Landwirtschaft. Die Frage ist, ob man nicht mehr in Bildung, Forschung und Innovation investieren sollte.
Heinz Becker (ÖVP): Die Zahlen belegen, dass die Bilanz für Österreich positiv ist. Jeden Euro den wir von der EU bekommen kann man mal drei nehmen, weil der Bund ja auch fördert, wenn die EU fördert. Bezüglich Agrarförderung: Geld für die Landwirtschaft heißt Geld für den ländlichen Raum. Das sind nicht nur Bauern, sondern auch Bäcker, Tischler und Wirtshäuser.
Stadler: Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man meinen wir sind Nettoempfänger und nicht Nettozahler. Das ist köstlich, die Ankündigiung des Jahres. Wir sind selbstverständlich Nettozahler.

6000 Projekte werden in Niederösterreich von der EU gefördert. Allerdings welche das genau sind, findet man nicht übersichtlich.
Kadenbach:
Diese Kritik ist berechtigt, das wird auch in der nächsten Förderperiode anders. In Niederösterreich gibt es Großprojekte, etwa den Biotechnologie-Cluster. Wir haben weitere Cluster in Krems, Wiener Neustadt und Tulln. Es gibt Renaturierungsprojekte an der Traisen oder Donau. Wir haben Naturparks aber auch Hilfen für Jungunternehmer. Wir haben aber auch nach den großen Hochwässern viel Geld aus den europäischen Hilfsfonds erhalten.

Die wenigsten Leute wissen, dass hier EU-Gelder drinstecken. Könnte es Interesse der heimischen Politiker sein, das so aussehen zu lassen, als wären das Eigenproduktionen?
Becker:
In der Bundespolitik ist die Kritik eher berechtigt. Es gibt EU-Gelder für Information, die gehen ins Bundeskanzleramt. Ich kann mich in den letzten Jahren aber nicht an eine breite Info-Kampagne zum Stellenwert der EU erinnern. Niederösterreich ist hier vorbildlich, Niederösterreich lukriert mit Abstand die meisten Fördergelder aus der EU. Um diese Förderungen zu lukrieren muss man gscheit und fleissig sein und hochintelligente Projekte entwickeln. Kein anderes Bundesland schafft das.

Viele Länder in Europa hätten die Gelder weit notwendiger als Niederösterreich. Ist das gerecht?
Becker:
Die Regel lautet: Wenn Du EU-Gelder willst, musst Du Kofinanzierungen zur Verfügung stellen. Wenn ein Land zu schwach ist um das zu tun, fällt es um. es gibt Fördertöpfe wo Geld übrig blieb, weil es nicht abgeholt wurde.
Kadenbach: Die Förderungen der EU sind Startförderungen, nach einer gewissen Zeit müssen sich die Projekte selbst finanzieren. Eines etwa ist das Solefelsenbad in Gmünd. Es hat dazu beigetragen, dass in der Region Wertschöpfung und Beschäftigung entsteht. Wir haben explodierende Nächtigungszahlen, die der Gastronomie in der Region zu Gute kommen.
Ewald Stadler: Mir ist jedes Projekt recht, wo Geld aus der EU zurückfließt. Niederösterreich ist tatsächlich hier sehr fleißig, und das begrüße ich auch. Das Problem ist, dass wir viel vom Geld durch die Bürokratie verlieren. Daher könnte es vernünftiger sein, das Geld erst gar nicht einzuzahlen und nachher zurückholen zu müssen.
Becker: Nochmals: Ein Euro Förderung aus Brüssel bedeutet drei Euro Wertschöpfung.
Stadler: Das ist Voodoo.
Kadenbach: Wir als Exportland profitieren davon, dass EU.Mittel in schwache Regionen fließen, und dort die Kaufkraft für unsere Produkte steigt. Das schafft 8.000 Arbeitsplätze in Niederösterreich.
Stadler: Das ist mir etwas zu viel Sozialismus, das mann Geld in Länder schickt, damit die unsere Produkte kaufen können.

Thema Regionalpolitik. Wären gewisse EU-Entscheidungen in den Regionen besser aufgehoben als in Brüssel?
Kandenbach:
Dinge sollen dort gelöst werden, wo man am nächsten dran ist. Es gibt aber Probleme etwa im Sozial- oder im Umweltbereich, die kann ich nur gemeinsam in Europa lösen.

Oft entsteht aber der Eindruck, dass sich Brüssel zu sehr einmischt. Etwa: Ab Dezember müssen Wirte wegen Allergikern alle Inhaltsstoffe ihrer Gerichte auf die Speisekarte schreiben...
Becker:
Wenn es um das berühmte Olivenkännchen oder jetzt die Speisekarte geht, ist das fragwürdig. ich schließe fast aus, dass das so umgesetzt wird. Allerdings reguliert die EU auch, dass es in Zukunft etwa nur einen Handystecker für alle Geräte geben wird. Das ist sinnvoll. Darum: Schaun wir uns jeden Fall an. So haben wir die Saatgutverordnung abgeschmettert.
Stadler: Die EU-Kommission hat das aber weggewischt, und hält an der Saatgutverordnung fest. Das entscheidet nicht das EU-Parlament sondern die Kommission. 90 Prozent des Eu-Rechts sind direkt von der Kommission durch sogenannte "delegierte Rechtsakte" festgelegt. Da haben Lobbyisten freie Fahrt, denn da gibt es kein Parlament und keinen Rat mehr, das beschließt ein Beamter in der Kommission. Jetzt will so ein Beamter den Bierkrug verbieten, man erfindet Unsinn, der die Bürger ärgert.
Kadenbach: Die Auflistung der Allergene auf der Speisekarte hat das Parlament beschlossen. Wie das nun umgesetzt wird, ist wieder Sache der nationalen Parlamente. Derzeit verhandelt deswegen das Ministerium mit der Wirtschaftskammer, wie Menschen mit Allergien besser geschützt werden können. Auf der anderen Seite soll natürlich die Speisekarte kein Telefonbuch werden.

Wie haben Sie bei der Speisekartenverordnung abgestimmt?
Becker:
Ich war dafür.
Kandenbach: Ich auch, absolut.
Stadler: Ich weiß es nicht auswendig, aber ich bin tendenziell gegen jede zusätzliche Regelung.

Thema Bildung: Wie sinnvoll ist es, dass die EU durch Bildungsstandards vorschreibt, wie die Staaten ihre Kinder ausbilden?
Stadler:
Das ist völlig sinnwidrig. Die Dinge gehen auch daneben. Der Deutsche Vorsitzende der Rektorenkonferenz gibt zu, dass der Bologna-Prozess gescheitert ist, wo man die akademischen Grade europaweit vereinheitlicht hat.
Becker: Bildungspolitik ist nationale Verantwortung. Die EU hat nur Programme wie Erasmus, für Schüler, Berufsschüler und Studenten. Mehrere Millionen junger Leute konnten im Ausland studieren. Das öffnet den Horizont.

Ministerin Heinisch Hosek sollte im Schulsystem 57 Millionen Euro einsparen. Andererseits ist Geld da um Banken zu retten und Pleitestaaten abzusichern. Wie erklärt man das dem Stammtisch?
Kadenbach:
Da geht es um Haftungsgarantien und nicht um echtes Geld. Wir hoffen, dass es nie schlagend wird.
Stadler: Die Hypo-Millionen sind echtes Geld.
Becker: Bildung muss das Ziel der beschäftigungsfähigkeit haben. Das schafft kein Land besser als Österreich. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit in Europa. Ausschlaggebend ist unser Berufsschul- und Lehre im Betriebs-System. Das ist nun ein europäisches Modell geworden.
Stadler: Bevor wir schauen, dass die Südstaaten sich ihre Ausbildung leisten können, sollten wir schauen, dass wir selbst unsere Schüler gut ausbilden. Da platzt mir der Hals. Österreich hat kaum Rohstoffe, wir müssen daher mit dem Hirn in den Wettbewerb.
Kadenbach: Wir müssen Talente fördern und deswegen brauchen wir eine Individualisierung der Ausbildung. Der größte Fehler ist, wenn man denkt, man kann Kinder standardisiert unterrichten. Die Bildungssysteme müssen europaweit aber durchlässig sein.

Lesen Sie auch:

Teil I - EU: Transithölle und Gigaliner
Teil II - Geld für Banken statt Arbeitsplätze

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Anzeige
Foto: Special Energy Service
3

Special Energy Service
Rabatt auf Photovoltaik-Materialien in Mauthausen

Als lokaler Partner für Photovoltaik-Lösungen bietet Special Energy Service aus Mauthausen einen umfassenden Service aus einer Hand. Jetzt Anfrage stellen und 5 Prozent sparen! MAUTHAUSEN. Von der Beantragung der Anlagenbewilligung (Zählpunktantrag) über den Verkauf und die Installation bis hin zum Netzanschluss der Photovoltaikanlage sowie der Inbetriebnahme, der Abwicklung von Fördermitteln und der Erstellung des Prüfprotokolls – das Team von Special Energy Service und seine erfahrenen...

1 Kommentar

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

4:34

Fische sind Glückskinder des Monats
Horoskop – das sagen die Sterne im Mai

Wir sind angekommen, im Wonnemonat Mai. Ob es für die zwölf Sternzeichen wirklich romantisch wird, das wissen Astrologe Wilfried Weilandt und Astroshow-Moderatorin Sandra Schütz. Und diesmal mit dabei: Violinistin Barbara Helfgott. ÖSTERREICH. Auf den Mai freuen dürfen sich alle Fische, die zählen nämlich – mit 100 Prozent in sämtlichen Bereichen – zu den Glückskinder des Monats. Ein wenig mehr Geduld müssen hingegen die Krebse haben. Die sind zwar die Pechvogerl des Monats Mai, haben es im...

Hier findest du die billigsten Tankstellen in Niederösterreich.
4

Benzin- und Dieselpreise
Die billigsten Tankstellen in Niederösterreich

Hier erfährst du täglich, wo die billigsten Tankstellen in Niederösterreich sind, wie man günstig tankt und auch, wie man am Besten Sprit sparen kann. NÖ. In ganz Österreich ist es am günstigsten Vormittags zu tanken, da die Tankstellen nur einmal täglich, um 12 Uhr, die Spritpreise erhöhen dürfen. Preissenkungen sind jedoch jederzeit und in unbegrenztem Ausmaß möglich. Wir aktualisieren die Liste der günstigsten Tankstellen in Niederösterreich täglich mit den aktuell gültigen Preisen. Die...

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Niederösterreich auf MeinBezirk.at/Niederösterreich

Neuigkeiten aus Niederösterreich als Push-Nachricht direkt aufs Handy

Bezirksblätter auf Facebook: MeinBezirk.at/Niederösterreich

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Niederösterreich und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.