Schlossbichl: Ur-Telfer setzten auf Retro-Stil

Fundstücke: Armreifen und Gürtelhacken. | Foto: Dietrich
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  • Fundstücke: Armreifen und Gürtelhacken.
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TELFS. Markus Wild, der 2015 Grabungsleiter bei der Sondierung auf dem Schlossbichl war, referierte bei einer internationalen Archäologentagung in Hallein über die neuesten Funde in Pfaffenhofen und auch über den Telfer Schlossbichl. Der Archäologe erläuterte, dass es vom Hügel bei St. Moritzen mittlerweile mehr als 100 bedeutende Fundstücke gibt. Alles deutet darauf hin, dass sich hier im 1. Jahrhundert v. Chr. – zur Zeit Cäsars – ein Heiligtum und wahrscheinlich auch eine Siedlung befanden. Gefunden wurden bisher u. a. ein Wall-Graben-System zur Abgrenzung des Kultareals und die Überreste eines steinernen Gebäudes.
Der für die Forscher im Moment spannendste Fund ist aber ein Grab. Am Westabhang des Schlossbichls wurden verbrannte menschliche Knochenreste und Grabbeigaben entdeckt. Eine Bestattung innerhalb eines Heiligtums ist an sich schon ungewöhnlich, diese weist aber auch noch andere Besonderheiten auf. Durch die Beigaben (zwei Bronzearmreifen und ein Gürtelhaken) ist der Fund eindeutig der sogenannten Heimstettener-Gruppe zuzuordnen, die zwischen 30 und 60 n. Chr. im südbayerischen Raum und fallweise auch in Tirol nachweisbar ist. Das Grab stammt also aus einer Zeit, in der das Heiligtum wahrscheinlich nicht mehr in Betrieb, aber der Bevölkerung wohl noch als „heiliger Ort“ bekannt war.
Damals herrschten bereits seit zwei Generationen die Römer im Alpenraum. Wie die Archäologen feststellen können, änderten sich damals die Bestattungsriten und es traten neue Schmuckformen auf. Beides wurde jetzt in Telfs nachgewiesen.
Daran knüpft sich eine interessante Frage: Hat es im Gefolge der römischen Eroberung Bevölkerungsbewegungen zwischen Tirol und Bayern gegeben? Möglich – doch der Archäologe Markus Wild hat auch noch eine andere Erklärung für die Funde. Er hält es für wahrscheinlicher, dass damals nicht nur Menschen, sondern vor allem Ideen in Bewegung kamen. In diesem Fall konservative Ideen. Wild meint, dass Teile der Bevölkerung in Tirol von ihren nördlichen Nachbarn bewusst alte Traditionen übernahmen und sich eine Art „Retro-Stil“ entwickelte. Damit wollte man sich äußerlich von den neuen Machthabern aus dem Mittelmeerraum und ihren Anhängern abgrenzen. Statt neumodischer römischer Kleider und Accessoires trug man selbstbewusst „Altväterisches“.
Die Parallelen zur Gegenwart sind unübersehbar: In Zeiten des Umbruchs und der Verunsicherung setzt man dem Zustrom neuer Menschen, Ideen und Lebensstile „Traditionelles“ entgegen.
Es ist spannend, dass nun auch Telfs zur Aufhellung einer 2000 Jahre zurückliegenden Epoche unserer Geschichte beiträgt, in der es wie heute um Integration und Identitätswahrung ging. Falls die Finanzierung gelingt, wird die Ausgrabung am Schlossbichl im Sommer 2017 fortgesetzt. Dann darf man sich auch in dieser Frage weitere Aufschlüsse erwarten.
(von Stefan Dietrich)

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