"Unwissenheit" schützte Bürgermeister vor Verurteilung

MICHELHAUSEN / ST. PÖLTEN (wp). Folgt man Aussagen von Bgm. Friewald und Gemeinderäten, werden in Michelhausen Beschlüsse ohne Kenntnis von Gesetzen gefasst. Diese Argumentationslinie bewahrte Friewald vor Gericht allerdings vor der Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs.

Nicht gelesen, aber unterschrieben
„Wir haben natürlich Gesetzbücher auf der Gemeinde, aber ich habe sicher noch nie darin nachgeschaut, sondern frage die Mitarbeiter“, rechtfertigte sich Bgm. LA a. D. Rudolf Friewald, des Amtsmissbrauchs angeklagt, vor Gericht. Sämtliche, oft juristisch heikle Bescheide der Gemeinde Michelhausen werden von den Mitarbeiterinnen vorformuliert und dem Bürgermeister vorgelegt. „Liest Bürgermeister Friewald die Schriftstücke, die Sie vorformulieren?“, will Staatsanwalt Karl Wurzer von einer in den Zeugenstand gerufenen Gemeindebediensteten wissen. „Längere Sachen liest er nicht durch“, so die Befragte. „Die unterschreibt er einfach ohne zu lesen?“, fragt Wurzer etwas verwundert nach. „Ja“, lautet die glasklare Antwort derselben.

Staatsanwalt: „Friewald handelte in Schädigungsabsicht“
In einem von Ida Hader angestrengten Prozess geht es um Umwidmungen ihrer Grundstücke. Landwirtschaftlich nutzbare Fläche und Gründe als Bauland-Betriebsgebiet wurden zu Freihalteflächen umgewidmet, was einen erheblichen Wertverlust darstellt. Hader ließ sich das nicht gefallen und forderte eine Entschädigung, die ihr per Gesetz auch zusteht (das Bezirksblatt berichtete ausführlich).
Aber, so lautet ein Vorwurf, Bgm. Friewald versäumte die Frist, über Haders Eingaben und ihr Begehr nach Entschädigung – es geht um 110.000 Euro – zu entscheiden. Seine Rechtfertigung: Er habe die gesetzliche Lage nicht gekannt.
Das nimmt ihm Staatsanwalt Karl Wurzer nicht ab: Friewald habe „wissentlich und mit Schädigungsabsicht“ gehandelt, pocht dieser auf eine Verurteilung des Bürgermeisters, denn Friewald sei nachweislich auf die Gesetzeslage aufmerksam gemacht worden.
Hader habe mit ihrer Beharrlichkeit für Ärger gesorgt, deswegen seien ihre wiederkehrenden Eingaben auch ignoriert worden, gibt die Gemeindemitarbeiterin unumwunden zu.

Keine Ahnung von Gesetzen
Die Zeugen, die neben den Gemeindebediensteten vorgeladen wurden – darunter auch der ehemalige Vizebürgermeister und Gemeinderäte –, entlasten Friewald im Sinne der Verteidigung: „Wir hatten keine Ahnung von dem Gesetz. Änderungen im Raumordnungsgesetz und die Pflicht, bei Umwidmungen Rücklagen für Entschädigungsansprüche zu bilden, kannten wir nicht“, lautete die sinngemäße Aussage der Befragten.
Da die Gemeinderäte als Zeugen unter Wahrheitspflicht stehen, wären demnach im Gemeinderat Beschlüsse vollzogen worden, über deren gesetzliche Bedeutung die Abstimmenden keinerlei Kenntnis hatten. „Im Michelhausener Gemeinderat wird wohl das Wort Gesetzestext als Fremdwort betrachtet, hier müsste die Gemeindeaufsicht dringend eingreifen“, zieht Haders Rechtsanwalt Christian Ransmayr (+ 26. Sep. 2010) einen sarkastischen Schluss. „Es ist aber unvorstellbar, dass ein Mandatar, der 19 Jahre im Landtag tätig war und das Raumordnungsgesetz mitbeschlossen hat, sich bei wesentlichen Gesetzen nicht auskennt“, äußert Ransmayr Zweifel und unterstellt Friewald Amtsmissbrauch in diesem und in anderen Fällen.

„... da wäre er doch blöd“
Friewalds Anwalt Walter Anzböck weist in einer scharfen Replik Ransmayrs Aussagen zurück und meint: „Wenn der Bürgermeister wirklich juristisch bewandert wäre, dann hätte er es doch nicht bis zum Vorwurf des Amtsmissbrauchs kommen lassen. Da wäre er doch blöd. Friewald erwartete sich durch den Verlauf der Dinge, dass der Verwaltungsgerichtshof entscheiden würde.“

Im Zweifel für den Angeklagten
Strafrichter Markus Grünberger glaubt Friewald, dass „er sich nicht ausgekannt“ hat, spricht den Ortschef „im Zweifel“ frei und verweist die Privatklägerin Hader an den Zivilrechtsweg. Aber: „Den Bürgermeister trifft der Vorwurf der Fahrlässigkeit. Jener des Amtsmissbrauchs ist aber nicht erwiesen.“
Dieses Urteil löste bei Staatsanwalt Wurzer Verwunderung aus, der in der Folge Nichtigkeitsbeschwerde dagegen einlegte. Damit wird diese Causa an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet.

Werner Pelz

****KOMMENTAR****
Anarchie im Gemeinderat?
Ein Bürgermeister und Gemeinderäte, die vorgeben, Entscheidungen zu treffen, ohne die Gesetzeslage zu kennen, oder sich mit dieser einfach nicht befassen wollen, werfen kein gutes Bild auf die niederösterreichische Gemeinde Michelhausen. Herrscht dort am Ende gar Anarchie? Wie sind die Entscheidungen von Bürgermeister Friewald (er war 19 Jahre im Landtag), der nach eigenen Angaben die meisten Entschlüsse aus dem Bauch heraus fällt, und seine Aussage, viele Schriftstücke ungelesen zu unterschreiben, zu bewerten? Man möchte hoffen, dass dies kein stellvertretendes Sittenbild für andere Gemeinden ist und Bürgermeister in der Regel sehr wohl wissen, worum es geht. Zu wünschen ist außerdem, dass Gemeinderäte mehr sind als willfährige Handerlheber in den Gremien und bei Entscheidungen das Allgemeinwohl im Blickfeld haben. Oder ist das alles zu viel verlangt?

Werner Pelz (Kontakt: Mail: wpelz@bezirksblaetter.com /
Tel.: 0676 700 11 75)

>>> Im Bezirksblatt Tulln/Klosterneuburg erschienene Artikel zur Causa:

Amtsmissbrauch? Bgm. Friewald: "Entscheide aus dem Bauch"

„Fühle mich von Bürgermeister erpresst“

Gemeinde muss 110.000 Euro an Grundbesitzerin zahlen

Friewald vor Staatsanwalt

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