"Ihre Tochter ist schwer krank"
Betrüger nutzen Corona, um Opfern Geld abzupressen
Eine Seniorin aus dem neunten Bezirk schildert, wie sie per Telefon unter Druck gesetzt wurde, um Betrügern Geld für ihre angeblich kranke Tochter auszuhändigen.
ALSERGRUND. "Mein Gehirn war ausgeschaltet", schildert die ältere Dame nachdem am Montag ihr Festnetztelefon läutete. "Ein Mann – mit schöner Aussprache, vielleicht ein Deutscher – hat sich gemeldet und gesagt, meine Tochter hätte Corona. Nur ich könne ihr helfen", erzählt die Seniorin aus dem neunten Bezirk, die schon über 80 Jahre alt ist.
Die Seniorin hat tatsächlich eine Tochter, die wegen ihres Berufs auch ein erhöhtes Risiko hat, an Corona zu erkranken. Als diese dann auch noch mit ihr "verbunden" wurde, erhöhte sich die Brisanz der Situation noch: "Ich hörte eine Frau so herzzerreißend weinen, dass ich gar nicht mehr denken konnte." Die Frau wollte nur noch ihrer Tochter helfen und versuchte, die Anweisungen des Anrufers zu befolgen. Dieser baute ständig Druck auf, blieb die ganze Zeit am Festnetz mit der weinenden "Tochter" im Hintergrund, während er die Seniorin anwies, ihre Bank zu kontaktieren.
Geld für Medikament gefordert
"Er hat gesagt, meine Tochter braucht ganz dringend ein Medikament aus Oxford, und das kostet 484.540 Euro – das hab ich mir sogar aufgeschrieben – und ich soll sofort Geld und Schmuck von der Bank holen, dem Berater aber keinesfalls sagen, wozu ich es brauche, sonst werde ich auch positiv getestet." So unwahrscheinlich die Geschichte auch für die Frau im Nachhinein klingt, so sehr wurde sie von der dramatischen Situation gefangen genommen.
Der Bann wurde erst durch den Nachbarn gebrochen: "Ich bin zu ihm rüber, weil ich wollte, dass er meine Schwester anruft, ich aber nicht mehr in der Lage war, ihre Nummer zu wählen", sagt die Alsergrunderin. Sobald die männliche Stimme zu hören war, legte der Anrufer sofort auf. Die Seniorin erstattete auf der nächsten Polizeistation Anzeige. Dort sagte man ihr, es gebe leider keine Möglichkeit, die Nummer zurückzuverfolgen. Wie der Anrufer wissen konnte, dass sie eine Tochter hat, oder ob es sich um einen Zufall gehandelt hat, konnte man der Dame auch nicht sagen. "Es sind bei uns bereits einige Anzeigen eingegangen", heißt es dazu von der Polizei, "da die Täter meist im Ausland sitzen und lediglich einen Mittelsmann zu den Opfern schicken, gestalten sich die Ermittlungen äußerst herausfordernd." Mit einer Software würden die Täter außerdem den Ausgangspunkt des Anrufs verschleiern.
Betrüger nutzen Corona
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind in der letzten Zeit einige Variationen des sogenannten Enkel- oder Neffen-Tricks, mit dem oft älteren Menschen Geld für angeblich in Not geratene Verwandte abgepresst werden soll, bekannt geworden. Andere Betrüger wollen Geld für einen angeblich verordneten Corona-Test. Zwar sind vorerst noch wenige solcher Tricks bei der Polizei bekannt geworden; viele legen allerdings gleich wieder auf und erstatten keine Anzeige.
Die Polizei rät dazu, sofort aufzulegen, wenn eine unbekannter Anrufer Geld fordert und Geldforderungen aus den sozialen Medien ebenfalls niemals nachzugeben. Fremde sollen nicht in die Wohnung gelassen werden und angeblich in Not geratene Verwandte sollen unabhängig von den Anrufern kontaktiert werden. Die Polizei bittet auch darum, Anzeige zu erstatten.
Auch die Alsergrunderin hat in der Zwischenzeit schon mit ihrer Tochter gesprochen. "Sie hat gelacht und gesagt, mir geht es doch gut", erzählt sie. Nachsatz: "Aber sie hat schleunigst veranlasst, dass meine Nummer aus dem Telefonbuch gestrichen wird."
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