Gerry Foitik: "Die Krise ist noch lange nicht vorbei"
Der Bundesrettungs-Kommandant des Österreichischen Roten Kreuzes über seine Einsätze für die Flüchtlinge und seine Prognose für die nächsten Wochen.
Wie lange schlafen Sie derzeit?
Oft nur zwei Stunden. Aber die zu Hause in meinem Bett bei meiner Familie. Das genügt!
Wie behält man als Bundesrettungskommandant den österreichweiten Überblick?
Ich habe ein gutes Team, das mir die vielen Informationen filtert und perfekt aufbereitet. Natürlich habe ich auch alle Hotspots persönlich besucht und mir ein Bild von der Lage gemacht.
Wo lagen die Schwerpunkte der Einsätze in den vergangenen Tagen?
Das Rote Kreuz war vor allem mit der Erstbetreuung an der österreichisch-ungarischen Grenze im Einsatz. Die meisten Flüchtlinge wurden eine Nacht untergebracht und betreut. Wir waren aber auch in Zügen Richtung Deutschland im Einsatz.
Wo wurden die Mitarbeiter des Roten Kreuzes überall eingesetzt?
Entlang der Westbahnstrecke zwischen Nickelsdorf und Salzburg. Aber auch in Graz und Villach haben wir Übernachtungseinrichtungen aufgebaut.
Wie sehen die Prognosen aus? Geht die Flüchtlingskrise weiter?
In den nächsten Tagen wird der Zustrom nach Europa mit Sicherheit noch mehr werden. Die Menschen fühlen sich bei uns sicher und willkommen.
Welche Forderungen haben Sie an die Politik?
Die Wirtschaftsunion Europa muss eine Sozialunion werden. Wir brauchen eine gemeinsame europäische Perspektive. An die heimische Politik habe ich folgenden Wunsch: Wir sollten nicht nur an einem Strang ziehen, sondern auch in die gleiche Richtung. Bund, Länder und Gemeinden sind jetzt gefordert.
Wie schwierig ist es, berufstätige Rotkreuz-Mitarbeiter für die Einsätze zu gewinnen?
Für ein bis zwei Tage ist das kein Problem, für längere Zeit aber schon. Es sind viele Personalwechsel nötig, um die Durchhaltefähigkeit zu gewährleisten. Wenn es gar nicht mehr geht, dann müssen wir berufliches Personal rekrutieren. Die Kosten dafür trägt das Bundesministerium für Inneres.
Was war Ihr emotionalster Moment der vergangenen Tage?
Ich habe in Nickelsdorf in den Gesichtern der Ankommenden gesehen, wie erleichtert sie nach ihrer oft wochenlangen, abenteuerlichen Flucht waren. Das Gefühl war dort für mich einfach spürbar.
Zur Person:
Gerry Foitik (44) ist seit 2007 Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes und koordiniert dort die Großeinsätze. Er ist verheiratet, Vater von zwei Töchtern und wohnt im 3. Wiener Gemeindebezirk.
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