Mobile Jugendarbeit: "Solange sie laut sind, ist alles ok"
In der Brigittenau kümmern sich die Sozialarbeiter des Vereins Back Bone 20 um Volksschulkinder mit Smartphones und Migranten ohne Jobs.
BRIGITTENAU. Gemeinsam kochen, Tischfußball spielen, im Hof heimlich Zigaretten rauchen, quatschen, den Gemüsegarten pflegen und die Probleme des Alltags da lassen. Im Jugendzentrum Back Bone 20 in der Pöchlarnstraße ist das möglich. Und vieles mehr. Manche Erwachsene stören sich daran. Sie kommen dann zu Manuela Synek, Sozialarbeiterin und Geschäftsführerin des Vereins Back Bone 20. Zu laut, zu frech, zu schnell, zu schmutzig, heißt es dann.
„Freche Jugendliche hat es immer gegeben. Früher waren die Leut halt mehr in direktem Kontakt, heute holt man gleich die Polizei,“ sagt die Sozialarbeiterin mit einem Augenzwinkern. „Die Jugend ist und war immer Projektionsfläche für jedes Problem. Da hat sich nichts geändert.“
Mobbing, Religion und das Internet
Die Hautaufgabe des Vereins ist die mobile Jugendarbeit. Eine wichtige Aufgabe, vor allem in einem Bezirk wie der Brigittenau, der durch ein niedriges Familieneinkommen und einen relativ hohen Migrantenanteil im Wiener Vergleich auffällt.
Die Themen, die den Verein seit einiger Zeit beschäftigen, sind auch jene, die medial für Aufmerksamkeit sorgen: Mobbing, Religion, das Internet, Persektiven.
Hier, in der Pöchlarnstraße 22, kommt alles zusammen. Und es relativiert sich vieles, wenn man versucht, ein bisschen näher an die Welt der Jugendlichen heranzukommen.
Die Welt ist schneller geworden
„Mit acht, neun Jahren bekommen Kinder ihr erstes Smartphone“, erzählt die Sozialarbeiterin. Viele können damit nicht umgehen. Sie gelangen an Informationen, die in diesem Alter früher nicht vorhanden waren. Das erhöhe den Druck auf die Kids. „Leistung und Konsum stehen an oberster Stelle. 20 Jahre Neoliberalismus haben ihre Auswirkungen“, sagt Synek. Der Stress der Kids, mithalten zu können, ist groß. „Eltern und Lehrer sind teilweise überfordert. Was mach ich mit 25 Kindern in der Klasse, die alle ein Smartphone haben, wenn ich als Lehrer kein Profi auf dem Gebiet bin? Und viele Eltern wissen nicht, dass sie dafür verantwortlich sind, wenn ihre minderjährigen Kinder mit dem Smartphone Blödsinn machen.“
Aber auch die Älteren sind überfordert. Hier kommen dann Gewaltvideos und Social Media dazu. Die Kids verschicken dann Fotos, die ihnen später schaden werden können.
So lange sie laut sind, ist alles ok
Rund 500 Kinder betreut der Verein zur Zeit. Manche davon kommen einfach nur, um Sport zu machen, andere brauchen wirklich Hilfe, um ihren Weg zu finden. Und natürlich spielt hier auch das Thema Radikalisierung und Religion eine Rolle. „Aber das ist weniger geworden. Vor etwa drei, vier Jahren waren wir viel näher mit dem Thema konfrontiert. Die Medien kochen das Thema nicht mehr so hoch. Das hat dann auch den Effekt, dass das Nachahmen nicht mehr so spannend ist.“ Aufmerksam sind die Sozialarbeiter trotzdem. „Schwierig wird es dann, wenn Jugendliche still werden und sich zurückziehen. So lange sie laut sind, auch wenn sie provozieren, ist also alles im normalen Bereich. Denn was gibt es für einen 16-jährigen Schöneres, als laut zu sein?“
Gerechtigkeit und Jobs
„2001“, ist sich die Sozialarbeiterin sicher, „ist ein Knackpunkt gewesen. Wir Erwachsenen haben die Bilder vom World Trade Center noch im Kopf. Aber Jugendliche, Migranten mit dunkler Haut und vielleicht einem Bart, die Ende der 90er Jahre geboren sind, haben keinen Plan, warum jeder Angst vor ihnen hat.“ Das große Problem, das über allem steht?
„Es fehlt an Jobs, an realistischen Perspektiven. Kids brauchen Selbstwert. Und sie erkennen ca. mit 12 Jahren, ob sie Probleme haben und ob sie die Gesellschaft akzeptiert. Wenn nicht, dann werden sie laut. „Wir begleiten die Kids über eine lange Zeit. Das mag ich an meinem Job sehr." Manche der Ehemaligen, die Manuela Synek über Jahre betreut hat, stehen nicht mehr heimlich rauchend im Eck, sie studieren mittlerweile.
Hintergrund: Mobile Jugendarbeit Verein Back Bone 20
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