Zeitgemäße Verkehrskonzepte statt Tunnel-Träume
Verkehrshölle Essling: Adieu oder doch nicht?

- Information zum Mitnehmen – der beidseitige Faktenflyer lag auf jedem Sessel
- Foto: Kurt Kracher
- hochgeladen von Johann Wieland
WIEN, Essling – 5. Mai 2025. Wie kann die Verkehrsbelastung in Essling wirksam reduziert werden – und dabei gleichzeitig Rücksicht auf Mensch, Umwelt und Klima genommen werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich der vierte Informationsabend der Reihe „LobAu soll leben“, zu dem die Initiative Esslinger für die LobAu in den Pfarrsaal Essling geladen hatte.
DI Ulrich Leth, Verkehrsplaner an der TU Wien, präsentierte vor über 110 Interessierten moderne Ansätze für eine nachhaltige Mobilitätswende in einem stark belasteten Stadtteil – sachlich fundiert, anschaulich und mit Blick auf konkrete Lösungen.
Musikalischer Auftakt mit Herz – Ein Lied für Essling
Den Abend eröffnete Willy Vranovsky mit der „Hymne-Essling“ - Wenn die Kirschenallee erblüht – einer Eigenkomposition des bekannten Esslinger Musikers, Frontmann der Band Fisherman and Friends und Mitbegründer der Essling All Star Band.
Gemeinsam mit den drei Initiatoren der Veranstaltung stimmte er das Lied an, das den besonderen Geist Esslings einfängt: geprägt von Gemeinschaftssinn, Naturverbundenheit, Kreativität – und einem unverwechselbaren Charme.
Vergessene Pionierarbeit
Ein besonderer Moment galt dem Esslinger Georg Hartl, der 1999 die Initiative „Für schnelle Autobusse in der Donaustadt“ gründete. Durch sein Engagement wurde 2002 eine eigene Busspur durch Essling realisiert. „Danke Georg – heute weiß das kaum jemand, aber alle, die mit dem Bus durch Essling fahren, profitieren täglich davon“, würdigte der Moderator sein nachhaltiges Engagement.
Schöngerechnet, fehlgeplant, widerlegt
DI Ulrich Leth eröffnete seinen Vortrag mit den 4 Hoffnungen, die die Stadt Wien im Zusammenhang mit LobAu-Autobahn und Stadtstraße kommuniziert:
- Entlastung der Tangente
- Entlastung der Ortsdurchfahrten
- zentrale Siedlungsentwicklung und
- Schaffung von Arbeitsplätzen
Diese Versprechen stellte er im Verlauf des Abends kritisch infrage. Studien, an denen Leth selbst maßgeblich mitgewirkt hat, machen klar: Die Tangente wird langfristig nicht entlastet. Im Gegenteil – stattdessen drohen Essling und der Donaustadt durch die Großprojekte S1 und Stadtstraße (Autobahn) noch mehr Verkehr – und damit mehr Lärm, Abgase und Belastung für Mensch und Umwelt. Auch beruhen die Prognosen des Verkehrsaufkommens auf Annahmen, die sich in den letzten Jahren nicht bestätigt haben. Denn das KFZ-Verkehrsaufkommen in Wien ist seit 2002 rückläufig, trotz steigender Bevölkerung.
Zum Argument die S1 würde 17.000 neue Arbeitsplätze bringen, meint Leth lapidar, das Arbeitsplatzpotential sei bei Straßenprojekten insgesamt sehr gering und wenig nachhaltig. Man könne auch ein Loch in der Pampa graben, um diese Arbeitsplätze kurzfristig zu schaffen und spare sich die negativen Auswirkungen der Autobahn (Versiegelung, Abgase, Lärm, Naturvernichtung). Die VCÖ-Grafik zeigt, dass der Ausbau von Radwegen, Fußgängerzonen, Verkehrsberuhigung und Schieneninfrastruktur dreimal so viele Arbeitsplätze bringen würde.
Der geplante Straßenausbau würde zudem den „Speckgürtel“ noch weiter an die Peripherie verschieben, wo die Baugründe billiger sind und so Zersiedelung und auch den Autoverkehr weiter vorantreiben.
Worauf es jetzt ankommt
Statt neuer Autobahnen forderte Leth eine echte Verkehrswende: massiver Ausbau und Attraktivierung der Öffis, die Reaktivierung von S-Bahnlinien, die Instandsetzung aufgelassener Bahnhöfe, wie LobAu und Hausfeldstrasse (S80). Zusätzlich braucht es mehr Raum für Fuß- und Radverkehr.
Ohne lenkende Maßnahmen wie Parkraumbewirtschaftung, CO₂-Bepreisung, Abschaffung des Dieselprivilegs und den massiven Ausbau von Schiene und Infrastruktur die kürzere Wege ermöglicht, bleiben die Verkehrszahlen hoch – und die Klimaziele unerreichbar.
Die Stadt Wien müsse ihre eigenen Ziele beim Modal Split (Anteil von Öffis, Rad- und Fußwegen) ernst nehmen und Maßnahmen wie in Paris oder Barcelona umsetzen – etwa Tempo 30, City-Maut und Rückbau von Parkplätzen.
Auch der Bund sei gefordert, klimaschädliche Subventionen abzubauen und die Pendlerpauschale zu reformieren. Zudem verwies er auf die strategische Prüfung durch Umweltbundesamt, TU Wien und TU Graz, die die Streichung der S1 aus dem Bundesstraßengesetz befürwortet.
Fazit: Ernüchterung statt Euphorie
Die über 110 Teilnehmer kamen gemeinsam mit dem Vortragenden zu einem ernüchternden Fazit: Die Stadtregierung bleibt beim Thema Verkehrsberuhigung weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück – zu langsam, zu zögerlich und inkonsequent. Statt sachorientierter Verkehrsplanung dominiert politisches Wunschdenken – wissenschaftliche Erkenntnisse werden ignoriert oder zurechtgebogen, wenn sie den politischen Zielen im Weg stehen.
Die provokante Frage des Abends – „Verkehrshölle Essling Adieu?“ lässt sich – angesichts des geplanten Autobahnausbaus – klar mit NEIN beantworten.
Nur mit Stadtstraße (Autobahn), S1 inkl. LobAu-Tunnel lässt sich die Verkehrsbelastung nicht nachhaltig entschärfen.
Wer auf Beton statt echte Mobilitätswende setzt, löst kein Problem – er zementiert es.
Über die Initiative „Esslinger für die LobAu“
Die Initiative wurde im Herbst 2024 von drei Esslinger:innen – Sabine Zwierschitz, Helmut Sattmann und Johann Wieland – ins Leben gerufen – mit dem Ziel, zentrale Themen rund um die LobAu sichtbar zu machen und für ihren Schutz zu sensibilisieren.
Im Mittelpunkt steht das Anliegen, den Stadtteil lebenswerter zu gestalten, zukunftsfähig weiterzuentwickeln und gleichzeitig das einzigartige Naturjuwel der Lobau zu bewahren.
Herzstück der Initiative sind Vortragsabende mit Expert:innen aus Wissenschaft, Planung und Zivilgesellschaft. Dabei entstehen nicht nur neue Sichtweisen und Impulse, sondern auch ein wachsendes Netzwerk engagierter Bürger:innen. Viele Teilnehmende tragen die Inhalte und Forderungen als Multiplikator:innen in ihr privates und berufliches Umfeld – und stärken so das Bewusstsein für eine nachhaltige Verkehrs- und Stadtentwicklung.
Rückblick auf die drei vorangegangenen Vortragsabende
1. Letzte Chance für die LobAu! (18. November 2024)
Manfred Christ (Lobau-Museum – Verein für Umweltgeschichte). Trotz vehementer baulicher Eingriffe in den letzten 150 Jahren ist eine naturnahe und artenreiche Aulandschaft bis heute erhalten geblieben, die allerdings durch Austrocknung und Verlandung akut bedroht ist. Die Stadt Wien hätte die Möglichkeit und Pflicht Abhilfe zu schaffen. >110 Teilnehmer:innen
2. Rettet die Böden- mit Blick auf das Umfeld der LobAu! (11. Feber 2025)
Univ. Prof Dr. Gernot Stöglehner (Universität für Bodenkultur). Straßen- und Wohnungsbau führen auch im Umland der LobAu zu erheblichem Bodenverbrauch – auf Kosten wertvoller Anbau- und Naturschutzgebiete. Das gefährdet Lebensmittelsicherheit und Biodiversität. >130 Teilnehmer:innen
3. LobAu-Autobahn: Monsterprojekt mit irreversiblen Folgen! (17. März 2025)
Jutta Matysek (BürgerInitiative Rettet die Lobau- Natur statt Beton). Der Vortrag bot ein aktuelles Update zur leider noch immer drohenden Autobahn und den damit verbundenen Folgen für Mensch und Umfeld: Lärm, Mikroplastik, Feinstaub, Abgase und Zerstörung der schützenswerten Aulandschaft. >140 Teilnehmer:innen
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