"Es ging den Leuten einfach schlecht" – Stefan "Pista" Schwarz über seine Flucht ins Burgenland während des Ungarn-Aufstandes 1956
EISENSTADT/RUST/SOPRON (ft). Vor 60 Jahren beendeten russische Panzer den Ungarn-Aufstand 1956 und damit den Traum des ungarischen Volkes nach Freiheit. Mehr als 2.500 Ungarn verloren damals ihr Leben, etwa 200.000 flüchteten über die burgenländische Grenze nach Österreich.
Unter ihnen war auch der 1936 in Sopron geborene, damals 20-jährige Stefan "Pista" Schwarz, der heute in Rust lebt und mittlerweile 80 Jahre alt ist. Er erzählte Wolfgang Bachkönig, der ein Buch über den Aufstand mit dem Titel "Heimat, warum musste ich dich verlassen?" verfasste, von seinen damaligen Erlebnissen.
Unruhe im Sommer 1956
Wie Schwarz dem Buchautor Bachkönig berichtet, war im Sommer 1956 unter der Bevölkerung in Sopron "eine gewisse Unruhe zu spüren". Zwar habe es noch keine öffentlichen Demonstrationen gegeben, jedoch seien bereits geheime Treffen im Untergrund abgehalten worden, bei denen man über die verfehlte kommunistische Politik diskutierte. "Es ging den Leuten einfach schlecht, weil das Volk von den Kommunisten unterdrückt und ausgebeutet wurde", wird Schwarz von Bachkönig zitiert.
Mit Revolutionären sympathisiert
Schwarz hatte damals erfahren, dass sich immer mehr Gegner des Kommunismus in Budapest versammelten: "Trotz meines für die damalige Zeit annehmbaren Lebensstandards habe ich immer mit den Revolutionären sympathisiert." Also ging Schwarz nach Budapest. Dort kam dann "dieser 23. Oktober 1956, der als jener Tag in die Geschichte einging, an dem die Revolution in Ungarn ausbrach". Schwarz: "Durch den Einsatz russischer Panzer und Soldaten war uns klar, dass die Unruhen bald auf die anderen ungarischen Städte, so auch auf Sopron, übergreifen werden."
Von Russen eingekesselt
Dementsprechend plante Schwarz gemeinsam mit seinem Bruder und weiteren Revolutionären die Verteidigung von Sopron. Doch "am 4. November 1956 haben die Russen uns durch einen Kurier informiert, dass sie uns eingekesselt hatten. Da wir keine Chance für einen erfolgreichen Kampf gegen einen übermächtigen Gegner sahen, haben wir unsere Deckung verlassen. Mein Bruder und ich sind dann in der Nacht nach Hause gegangen. Die anderen sind nach Österreich geflüchtet."
Entschluss zur Flucht
Jene Nacht war es auch, in der Schwarz seinen Entschluss zur Flucht fasste. Dieser sei ihm jedoch vorerst durch seinen Bruder und seine Familie ausgeredet worden. Doch: "Mir wurde immer mehr bewusst, dass ich nicht in einem Land leben will, in dem ich Zeit meines Lebens unterdrückt werde. In der Woche zum 11. November 1956 kursierte in Sopron außerdem noch ein Gerücht, dass alle jungen Männer zum Militär einrücken müssen und zur Ausbildung nach Russland gebracht werden würden." Damit stand sein Entschluss fest: "Obwohl ich nicht wusste, was auf mich zukommt, und ich auch kein Wort Deutsch sprach, habe ich mich endgültig zur Flucht nach Österreich entschlossen."
Der Tag der Flucht
Und dann kam er, der 11. November 1956, der Tag seiner Flucht: Nach einem gemeinsamen Besuch der Heiligen Messe in Sopron beschlossen Schwarz und drei seiner Freunde, ihre Heimat noch an diesem Tag in Richtung Österreich zu verlassen. Seinen Eltern und seinem Bruder erzählte Schwarz nichts von seinem Fluchtplan, hinterließ ihnen jedoch einen Abschiedsbrief: Diesen fand seine Mutter dann auch. "Sie haben dieses Stück Papier verwahrt und Mutter (Vater lebte ja nicht mehr) hat es mir dann gegeben, als ich nach etwa 14 Jahren zum ersten Mal wieder nach Hause kam. Dieses für mich sehr wertvolle Schriftstück habe ich noch heute bei mir. Es wird mich immer an den Tag meiner Flucht erinnern."
Verwandtschaft in Rust
Nachdem Schwarz die Grenze mit seinen Freunden bei Ritzing überquerte, folgten zwei kurze Aufenthalte in Oberpullendorf und Traiskirchen, wo bereits viele andere seiner Landsleute aufgenommen worden waren. Durch einen Brief an seine Verwandschaft in Rust, wurde er von dieser nach kurzer Zeit abgeholt: "Sie brachten mich zuerst in ihre Wohnung nach Rust am See, wo ich bis zum 2. Jänner 1957 blieb. Ich half ihnen bei der Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb, suchte jedoch zugleich einen fixen Arbeitsplatz und wurde tatsächlich fündig. Am 3. Jänner 1957 übersiedelte ich nach Wien und begann in der Brauerei Schwechat zu arbeiten. Die Firma stellte mir auch eine Wohnung zur Verfügung, die ich heute noch nützen kann. Ich erlernte den Beruf eines „Brauers und Melzers“. In der Brauerei Schwechat habe ich bis zu meiner Pensionierung im Jahre 1994 gearbeitet."
Rusterin geheiratet
Insgesamt 28 Jahre lang lebte Stefan "Pista" Schwarz in Wien, bevor er sich endgültig in Rust niederließ. "Ich habe mir in Wien eine Existenz aufgebaut, es zog mich jedoch immer wieder nach Rust zurück." In Rust lernte Schwarz schließlich eine gebürtige Rusterin, die er 1958 heiratete. "Wir haben uns in Rust gemeinsam ein Haus gebaut und noch vor meiner Pensionierung unseren festen Wohnsitz in die Stadt am Westufer des Neusiedler Sees verlegt. Meine Heimat habe und werde ich niemals vergessen. Ich bin zwar österreichischer Staatsbürger, meine ungarische Staatsbürgerschaft habe ich aber niemals aufgegeben."
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