Lesermeinung
Gerhard Riedl: "Regionalgeschichte wird noch mehr untergehen"
Betrifft: Zur Story der Woche KW 35: UNESCO-Welterbe: "Eine enorme Chance für die Region"
Interessiert man sich für das historische Enns, fällt der Werbefeldzug „für Römer“ auf. Es fällt aber auch auf, dass für die Identität des eigenen Volkes wenig Mittel aufgeboten werden, obwohl die große Geschichte mit der Eigenständigkeitsbildung des Landes anfing. Seit dem Mittelalter legten sich die Menschen im Landstrich untere Enns dafür mächtig ins Zeug. Die Einzigartigkeit von Enns entstand mit ihrem Stadtrecht. Dass bereits sechs Wochen nach Bekanntgabe des Welterbe-Status „Donaulimes“, der touristische Nutzen dieser Auszeichnung von Seite des Museums Enns in den Vordergrund gespielt wird, verwundert einige. Beim Welterbe handelt es sich eben nicht um ein „touristisches Gütesiegel“, wird von Seite der UNESCO immer öfter betont, weil es negative Erfahrungen gibt.
Schätze liegen in Italien
Bei einem „Tourismus-Konzept“ – gemacht von kaum 1 % der Ennser – wird die seit Jahren erlahmende Regionalgeschichte zweifellos noch mehr untergehen. Eine nachhaltige Einbindung der Bevölkerung zu einer identitätsstiftenden Region wird leider nicht stattfinden. Schade, zumal hier die ältesten Wurzeln Österreichs liegen. Da liegen die Bauern mit ihrem „Regional-Konzept“ voraus. Man fragt sich: Stehen die geplanten 300 Quadratmeter Flächen im Schloss Ennsegg für die Stadtgeschichte im richtigen Verhältnis zur römischen Geschichte, die sich auf 1300 m² am Hauptplatz im Museum präsentieren? Es zeigt, dass für Italiens Kultur ordentlich Werbung gemacht wird, während die hiesige Bevölkerung mit den Nachteilen (Verkehr, Bauproblematik) zurechtkommen muss. Braucht es für die antike römische Kultur, die in erster Linie für Gewaltherrschaft steht, mehr Geld? Erinnerung ja, die wahren Schätze liegen aber noch immer in Italien. Wer sie sehen will, fährt dorthin.
Gerhard Riedl, Enns/Kronstorf
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