Ein Leben am Fluss - Geschichten im Überfluss

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Die Ortschaft Winkling in der Gemeinde Kronstorf trägt ihren Namen zurecht: Die Enns schwenkt hier auf ihrem Weg zur Donau in einem 90-Grad-Winkel von Nordost nach Nordwest. In einem stattlichen Bauernhof nahe am Ufer lebt seit 72 Jahren der Landwirt Leopold Sacher. Seit er die Landwirtschaft und die beliebte Mostschenke an Tochter und Schwiegersohn übergeben hat, kann sich der Pensionist verstärkt zwei Hobbies widmen – dem Fischen im eigenen Revier und der Geschichtsforschung. „Wir leben hier auf historisch bedeutsamem Boden. 1485 entdeckte ein ungarisches Heer die Furt ganz in der Nähe unseres Hofes. Auf beiden Seiten der Enns errichteten sie Wehranlagen und auch eine richtige Brücke über den Fluss. Die Wehranlagen sind nach ihrem Anführer Wilhelm von Tettau bis heute als ‚Tettauer Schanzen’ bekannt“, erklärt Sacher. Nun folgt ein Zeitsprung von über 400 Jahren: Nach dem zweiten Weltkrieg, der übrigens mit letzten Kämpfen im Raum Ernsthofen zu Ende ging, kam die Besatzungszeit und mit ihr ein reger illegaler Grenzverkehr über die Enns – vom russisch besetzten Mostviertel ins amerikanisch besetzte Winkling. „Mein Vater hat viele Menschen mit dem Boot herüber gebracht. Und die amerikanischen Soldaten, die die Flüchtlinge abgeholt haben, haben bei uns gewartet“, erinnert sich Leopold Sacher. „Für uns Kinder war das ein Spektakel – die fremden Männer, auch Schwarze waren dabei, und das uns ganz unverständliche Englisch.“

Wir machen noch einen Zeitsprung, diesmal ins Jahr 2011: Bei der Planung der neuen Kronstorfer Wanderwege wird die Route des „Kirchschläger-Weges“ durch das Gebiet der früheren Tettauer Schanze geführt. „Da hab ich mir gedacht, die Leute sollen auch wissen, durch was für ein historisches Gebiet sie da marschieren“, sagt Sacher. Im Winter verbrachte der engagierte Pensionist viele Tage in der Kronstorfer Gemeindebibliothek. Mit dem gesammelten Wissen gestaltete er eine Schautafel, die er selbst und auf eigene Kosten an der Tettauer Schanze aufstellte. Von der früheren, mehrere Hundert Meter langen Befestigungsanlage ist derzeit bis auf eine gewisse Erhöhung des Geländes nichts zu sehen. „Aber der Erwin Ruprechtsberger, Archäologe vom Land Oberösterreich, hat mich schon besucht und sich die Möglichkeiten für Ausgrabungen angeschaut“, erzählt Sacher stolz.

Die Arbeit über die Tettauer Schanzen ist freilich nicht das einzige Sachersche Großprojekt in jüngster Vergangenheit: Im Juni fand in Winkling und Haidershofen im Rahmen der lokalen Agenda 21 das große Musikfest „Drent und Herent“ und Leopold Sacher war der Chef-Organisator. Der rüstige Mann ist selbst seit etlichen Jahrzehnten Mitglied der Musikkapelle. Vor ein paar Jahren hat er seine Kronstorfer Musikanten sogar zum Sieg bei der Wahl zur beliebtesten Musikkapelle geführt. „Ich hab mir ganz viele Zeitungen besorgt, die Kupons ausgeschnitten und mit irgendwelchen Namen aus dem Telefonbuch ausgefüllt“, lacht Sacher verschmitzt. Das war zwar geschummelt, aber solcher Einsatz soll belohnt werden. Sein Instrument, die Klarinette, kann Leopold Sacher seit kurzem wegen eines Handleidens nicht mehr spielen. Zum Angeln hingegen sind die Hände noch zu gebrauchen. „Und manchmal, wenn ich so am Ufer sitz und die Nebel über den Fluss ziehen – das ist so ein Gefühl, wie wenn einem die ganze Welt gehören würd.“ Es ist schon ein besonderes Fleckchen Erde, ganz hinten in Winkling am Ennsufer – ein Fleckchen Erde, das einen besonderen Menschen geprägt hat.

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Foto: Cityfoto
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