5 Minuten Wien
Der schimpfende Öffi-Fahrgast
WIEN. Wenn man regelmäßig mit den Öffis fährt, hat man viele Vorteile: Man tut was für die Umwelt – zumindest im Vergleich zu einer Autofahrt, die man alleine unternimmt. Man lernt die Stadt und andere Menschen kennen. Man bekommt immer wieder etwas Neues zu sehen – und manchmal kommt man wirklich nicht aus dem Staunen heraus.
Ich war so überheblich zu glauben, dass ich in den Öffis schon alles gesehen habe, was ich noch nie sehen wollte: Menschen mit nackten Füßen auf den Sitzen, Streitereien mit Nachbarn, Leute, die anderen Kaugummi auf die Stirn pickten und vieles mehr.
Lauter Schimpfwörter
Mein jüngster Besuch in der U1 belehrte mich aber eines Besseren: Nichts ahnend setzte ich mich einem jungen, etwas beleibteren Menschen schräg gegenüber. Mir direkt gegenüber saß eine junge Frau.
Als ich in mein Buch schauen wollte, fing der junge Mann laut zu reden an. Das Besondere daran: Er schimpfte auf Englisch. "This shit here", war der lasche Anfang. Den ganzen Weg vom Hauptbahnhof bis hinaus nach Kagran ließ er englische "four-letter words" von sich – also englische Schimpfwörter.
Tourette – kein Problem
Sinn ergaben die beinahe sinnlos aneinander gereihten Worte nicht wirklich. Und er schimpfte auch nicht auf die anwesenden Fahrgäste, denn offensichtlich hatte er das Tourette-Syndrom, bei dem man zwanghaft Schimpfwörter sagt.
Die Fahrgäste verhielten sich so, als würde niemand im Wagon wirklich schimpfen. Nur dem einen oder anderen ist ein kleines Lächeln entkommen. Aber keiner hat sich darüber aufgeregt, sondern den Menschen so genommen, wie er ist: einer von uns.
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