Fitnessstudio fürs Berufsleben
Mit Kreativität aus dem Coronaloch
Viele Jugendliche haben in der Coronazeit den Anschluss verloren. Ein Ausbildungsprojekt in Gänserndorf gibt ihnen und anderen eine neue Chance.
GÄNSERNDORF. „Ich bin in ein echtes Loch gefallen. Hab mich in meinem Zimmer verkrochen, mit niemandem mehr geredet. Nur viel gezeichnet.“ Hanna war Coronaopfer. Nach der Mittelschule wollte sie etwas Praktisches lernen, die Mistelbacher HTL für Biomedizin- und Gesundheitstechnik schien zu passen. Zweieinhalb Jahre verbrachte sie dort, dann war ihr klar: „Das ist nichts für mich. Fast nur Technik. Mit mehr Biologie hätte es mich schon interessiert.“ Schwierige Situation, schwerer Entschluss: Sie bricht die HTL ab, wechselt in die AHS. Eine ganze Woche lang war sie dort. Dann: Lockdown und Distance Learning. Noch bevor sie irgendeine Bekanntschaft in der neuen Schule gemacht, dort irgendwelche Freunde gefunden hatte.
Aus dem Loch ist sie nicht mehr herausgekommen. Das Distance Learning hat sie eine Zeitlang irgendwie mitgemacht, das Alleinlernen aber nie wirklich hingekriegt. Die Noten waren entsprechend. Irgendwann hat sie sich dann von der Schule abgemeldet. Lehre hat sie dann probiert, in der Amethystwelt Maissau hätt’s ihr schon getaugt, das ging damals aus anderen Gründen schief, im Gastgewerbe hat sie sich übehaupt nicht wohlgefühlt, der Stress und das aggressive Klima war nicht ihres, dazu ist sie zu introvertiert.
„Jugendliche wie Hanna gibt es mehr als die meisten glauben“ weiß Hermine Neduchal, Projektleiterin und Sozialpädagogin beim WUK-Projekt „Get Up - Stand Up“. Viele haben damals den Anschluss beim Lernen und bei der Berufsvorbereitung komplett verloren, sind mit der neuen Lernsituation, mit der kompletten Kontaktlosigkeit nicht zurechtgekommen, das Selbstvertrauen ist weg, die Sozialkompetenzen verlernt. Sehr häufig sind sie in die Depression geschlittert.
Hanna hatte Glück. Ihre Mutter hatte von dem Berufsvorbereitungsprojekt des WUK gehört. „Get Up – Stand Up“ ist das niederösterreichische Berufseinstiegsprojekt des WUK, bei der „Sozialen Landwirtschaft“ in Gänserndorf, finanziert vom AMS NÖ. Jugendliche bis 25 werden hier für ihren Berufseinstieg fit gemacht, individuell, abgestimmt auf ihre Probleme und ihre Fähigkeiten. Da gibt es Coronaopfer wie Hanna, aber auch Jugendliche aus schwierigen familiären Verhältnissen, solche mit Migrationshintergrund und Deutschdefiziten, einige mit Drogenerfahrungen, Legastheniker. Mit manchen büffeln sie Prozent- und Bruchrechnen, mit anderen Deutsch, bei vielen müssen sie Sozial- und Kommunikationskompetenzen stärken. Die Jugendlichen erhalten in Gänserndorf praxisnahes Werkstättentraining, mit Schwerpunkt Kreativität und Umwelt, und individuelles Coaching.
Hanna tut sich generell nicht so leicht, sich in eine neue Gruppe einzufügen. Eines der anderen Mädchen, Vivien, half ihr dabei. Bald fühlt sie sich wohl, am wohlsten beim Kreativarbeiten. „Uns ist bald aufgefallen, dass sie sehr kreativ und konzentriert Zeichnen kann“, erzählt Hermine Neduchal. „Dann sind wir gemeinsam auf die Idee mit der Keramikfachschule gekommen.“ Jetzt geht Hanna in diese Schule in Stoob im Burgenland, und es taugt ihr voll. In Stoob werden in vier Jahren Keramiker, Platten- und Fliesenleger und Ofenbauer ausgebildet. Wer die Matura machen möchte, kann ein Kolleg anschließen. Ob sie das will, weiß Hanna noch nicht. „Am liebsten würde ich dann selbstständig arbeiten, als Keramikerin. Und eine Keramikwerkstätte führen, wo ich Menschen anleiten und unterrichten kann, wo sie selber formen und ihre Rohlinge auch brennen und glasieren können“.
Links
AMS Niederösterreich
Keramikfachschule Stoob
WUK "Get Up - Stand Up"
WUK Soziale Landwirtschaft
WUK work.space
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