Weitra

in:team: "Let's talk about sex, baby"

Sophie Herzog aus Weitra und Sigrid Hahn aus Großschönau nehmen kein Blatt vor den Mund und helfen Menschen bei ihren intimsten Problemen.

WEITRA (bt). Sexualberatung und Sexuelle Bildung, darauf haben sich die gebürtige Salzburgerin Sophie Herzog und die Oberösterreicherin Sigrid Hahn - beide hat es der Liebe wegen in den Bezirk Gmünd verschlagen - spezialisiert. In ihren in:team-Räumlichkeiten am Rathausplatz in Weitra empfangen sie Menschen aus dem ganzen Waldviertel, veranstalten aber auch Vorträge und halten Workshops in Schulen ab. Herrlich unaufgeregt sprechen sie über Sex - auch im Interview mit den Bezirksblättern.

Ihr nennt euch in:team - wie intim ist ein Termin bei euch?
Sigrid Hahn: in:team ist ein Wortspiel, wie man gut erkennt, denn wir arbeiten viel gemeinsam. Bei der Sexualberatung werden intime Themen behandelt. Theoretisch, in einem fachlichen Gespräch. Wir grenzen uns ganz klar ab von dem Irrglauben mancher Menschen, die anrufen und glauben sie bekommen sexuelle Dienstleistungen bei uns. Es gibt tatsächlich immer wieder Anrufer, die das missverstehen.
Sophie Herzog: Man kann über Sexualität - ein intimes Thema - reden, ohne dass eine intime Atmosphäre entsteht. Aber eine angenehme Atmosphäre, in der man sich öffnen kann.

Welches Ziel verfolgt ihr?
Herzog: Sexualität zu enttabuisieren, um die Lebensqualität Betroffener zu verbessern.

Mit welchen Problemen kommen die Leute zu euch? Gibt es "Klassiker"?
Hahn: Ja es gibt Klassiker. Lustlosigkeit und Orgasmusstörungen bei Frauen und bei Männern Errektionsstörungen.
Herzog: Manchmal handelt es sich um Beziehungsproblematiken aus denen heraus Unlust entstehen kann. Manchmal kommen Frauen - oft Mitte 30 - und wünschen sich bewusste Auseinandersetzung mit ihrem Körper, ihrer Sexualität. Sie denken, dass es da noch mehr Potential geben kann, dass sie bis jetzt - warum auch immer- noch nicht ganz ausschöpfen konnten. Das ist von einem Partner oder einer Partnerin ziemlich unabhängig.
Hahn: Auch erwähnen sollten wir Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Homosexuelle, Intersexuelle, Transgender oder jede andere Art der sexuellen (nicht) Orientierung oder Geschlechtszugehörigkeit. Die meisten Menschen haben sexuelle Bedürfnisse! Die Sexualberatung ist Erwachsenen vorbehalten, unsere Sexualpädagogischen Angebote gelten aber für Kinder ab der 4. Klasse VS bis ins (hohe) Erwachsenenalter.

Und wie helft ihr?
Hahn: Ganz viel geht über das Gespräch. Den Klienten ist viel geholfen, wenn man ihnen Gehör schenkt und ihre Probleme ernst nimmt.
Herzog: Wir arbeiten nach dem Modell "Sexocorporel", das ist recht körpertherapeutisch orientiert. Wir geben unter anderem Tipps wie sich die Leute besser in ihrem Körper verankern können.
Hahn: Sophie ist auch Beckenbodentrainerin. Gerade Männer wissen oft nicht, dass sie so eine Muskulatur überhaupt haben.

Kommen viele Leute aus dem Bezirk Gmünd zu euch?
Herzog: Immer mehr. Es hat eine Zeit gedauert, ich weiß nicht ob sie uns vorher aus der Ferne beobachtet haben. Am Anfang waren es viele mit weiteren Anfahrtswegen, jetzt werden die Wege immer kürzer. Wenn man in so einem kleinen Ort mit seinen intimsten Gedanken herkommt, muss man sicher sein, dass sie gut aufgehoben sind. Die Leute sind erleichtert, dass wir so unaufgeregt über Sex reden.

Aber die Hemmschwelle darüber zu sprechen ist gerade im Waldviertel schon unglaublich groß oder?
Herzog: Wir haben keinen Vergleich, weil wir noch nie in einer Großstadt Beratungen angeboten haben. Aber vermutlich schon, weil alles viel näher ist und nicht so anonym. Aber weil wir von extern kommen, kennen wir nicht so viele.

Ist das hilfreich, dass ihr "Zuagroaste" seid?
Hahn: Ja das glauben wir schon. Wir wissen nicht wer mit wem verheiratet und verschwägert ist und denken, dass sich die Leute deswegen vielleicht leichter tun.

Und wie ist das mit Männern, erzählen die? Ihr seid ja beide hübsche Frauen.
Herzog: Da muss ich antworten, zu mir kommen zufällig immer die Männer und das ist überhaupt kein Thema.

Und wie geht es euch dabei? Schafft ihr es tatsächlich nie zu werten oder mal zu lachen?
Herzog: Unser oberstes Ziel ist es nicht zu werten. Alles hat doch irgendwie seine Berechtigung.
Hahn: Lachen tun wir in fast jeder Beratung. Sexualität ist ja ein lustvolles Thema über das man auch gemeinsam lachen kann. So sollte das in einer Beziehung sein und so darf das auch in einer Sexualberatung sein.
Herzog: Aber wir lachen mit den Leuten, nie über sie.

Ihr widmet euch auch der sexuellen Entwicklung von Kindern - wann ist für Eltern der richtige Zeitpunkt darüber zu sprechen?
Herzog: Die Begleitung der sexuellen Entwicklung beginnt bei 0 und hört im Altersheim bei 99 auf.
Hahn: Das typische Aufklärungsgespräch das man im Kopf hat ist veraltet. Mit 14, 15 will man mit den Eltern überhaupt nicht mehr über das reden, das ist einfach nur peinlich.
Herzog: Kinder sind so zu begleiten, dass sie einen guten Bezug zu ihrem Körper bekommen, bzw. ein gutes Körpergefühl entwickeln können.
Hahn: "Das da unten" wird oft nicht erklärt. Das bekommt kindliche Namen, aber es ist wichtig Kindern zu lernen, das heißt Penis, Vulva, Genitallippen. Damit tun sich manche Eltern schwer, obwohl das einfach zum Körper dazu gehört.
Herzog: Aber das ist nichts Grausliches, das ist ganz normal. Viele erwachsene Menschen die zu uns in die Beratung kommen, haben nur wenig Bezug zu ihrem Genital und erleben ihren Körper, bzw. Körperteile nicht als wertvoll.

Eines eurer Workshop-Themen ist Pornografie im Kinderzimmer. Das ist ein großes Tabu. Wie gehen Eltern damit um?
Herzog: Die Eltern sind der Meinung, dass das ihr eigenes Kind nicht betrifft.
Hahn: Wir machen ab der vierten Klasse Volksschule Workshops und es sitzt immer mindestens ein Kind in der Klasse, das schon Pornoerfahrungen hat. Auch wenn Eltern das nich wahrhaben wollen, der Zugriff zu pornografischem Material ist so leicht möglich, dass es erschreckend ist.

Was würdet ihr euch für die Gmünder wünschen?
Herzog und Hahn: Mehr Selbst-Bewusst-sein in Bezug auf die eigene Sexualität und einfach einen positiven Zugang zum eigenen Körper.

Termine

• 8. November, 19:30 Uhr, Rathausplatz 53, 3970 Weitra: Alex Jürgen-Filmeabend über Intersexualität

• 7. November, 19 Uhr, VAZ Harmanschlag: Vortrag "Pickel, Liebeskummer und vieles mehr" für Eltern von Heranwachsenden

Zur Sache

Ende 2015 haben Sophie Herzog und Sigrid Hahn in:team gegründet. Dabei handelt es sich um das einzige private Angebot im Waldviertel, das sich rein auf Sexualberatung und sexuelle Bildung spezialisiert hat.