Richterin auf der Anklagebank
KREMS. „Nicht schuldig“, erklärte sich eine 47-jährige Bezirksrichterin aus dem Sprengel Krems zu den Vorwürfen der St. Pöltner Staatsanwaltschaft, denen zufolge Frau Rat ein Prozessprotokoll nachträglich ausgebessert haben soll, ohne die dafür vorgesehenen Bestimmungen beachtet zu haben.
Konkret handelte es sich um den Schuldspruch gegen einen Ladendieb aus dem Bezirk Waidhofen an der Thaya. Die Richterin verurteilte den vorbestraften Mann mündlich vermutlich wegen „versuchtem“ Diebstahl und nannte den „Versuch“ auch als Milderungsgrund – zumindest diktierte die Juristin dies nach der Urteilsverkündung, der Urteilsbegründung und einer heftigen Diskussion mit dem Angeklagten in ihr Aufnahmegerät. Dementsprechend wurde das Protokoll schriftlich ausgeführt und der Richterin abermals vorgelegt.
Ihrer Aussage nach war sie sich aber nun sicher, dass sie den Mann wegen „vollendetem“ Diebstahl verurteilt habe. Daher griff sie zum Kugelschreiber, strich „versuchter“ sowie den entsprechenden Paragrafen durch und ersetzte handschriftlich mit „vollendeter“ inklusive Paragraf, ohne sich die Audioaufzeichnung noch einmal anzuhören.
„Ich bestreite nicht, dass es einen Formalfehler gibt“, beteuerte die Angeklagte gegenüber der St. Pöltner Richterin Doris Wais-Pfeffer, „aber wissentlich habe ich das sicher nicht gemacht.“ Es sei ein Fehler oder ein Irrtum passiert, es fehle aber jedes Motiv für eine vorsätzliche Straftat. Darüber hinaus hätte sich am Strafmaß für den Dieb nichts geändert, die verhängte Geldstrafe sei von der nächsten Instanz bestätigt worden, verteidigte sich Frau Rat.
Wais-Pfeffer entsprach dem Antrag des Verteidigers, der „ nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen möchte“, und fällte einen Freispruch (rechtskräftig). „Wie auch immer“, so Wais-Pfeffer, „es war nicht der richtige Weg, es einfach durchzustreichen!“ Objektiv entspreche dies nicht der Strafprozessordnung, es gebe aber auch keine subjektive Tatseite, die einen Schuldspruch rechtfertige.
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