Moslem-Anführer: Leute, lernt Deutsch!
Ohne Deutschkenntnisse keine Integration – der St. Pöltner alevitische Glaubensführer spricht Klartext.
ST. PÖLTEN/NÖ (wp). „Ich bin leider einer der wenigen muslimischen Geistlichen, die wirklich Deutsch sprechen“, bedauert Mercan Mehmet, Seelsorger der alevitischen Glaubensgemeinschaft in St. Pölten und auch für die Aleviten in Österreich zuständig. Der gebürtige Türke mit Abstammung vom Geschlecht des Propheten Mohammed gilt als sehr umgänglich. Radikaler Fundamentalismus ist dem seit 42 Jahren in Österreich lebenden Aleviten fremd. Wie überhaupt sich diese Linie des Islam „ausdrücklich zum Humanismus bekennt“, wie Mehmet erklärt. Seine Tätigkeit als Geistlicher führt er ehrenamtlich aus, sein Brot verdient er im Nachtschichtbetrieb bei der Firma Geberit. „Das Um und Auf für Emigranten, egal woher sie kommen, ist das Erlernen der deutschen Sprache. Nur so kann man sich in die österreichische Gesellschaft einbringen“, so Mehmet sich ausschließen aus dem gesellschaftlichen Geschehen eines Landes, in dem man lebt, sei kontraproduktiv. „F.ür uns Aleviten ist es kein Problem, sich zu integrieren, wir müssen ja dadurch nicht unsere Wurzeln aufgeben oder verleugnen“, meint der Vorbeter.
Kleidungsvorschriften, wie das verpflichtende Tragen von Kopftüchern für Frauen, lehnt er ab. Geschlechtertrennung im Gebetshaus ist für die Aleviten auch nicht vorgesehen. Damit, aber auch in manchen religiösen Auffassungen befinde man sich im intensiven Widerspruch zu Sunniten und Schiiten. „Wir suchen zwar alle immer wieder den Dialog, aber leider ist dieser in der letzten Zeit ins Stocken geraten“, bedauert Mehmet die Entwicklung in den eigenen Reihen der muslimischen Glaubensgemeinschaften.
Auch im interreligiösen Dialog, etwa in den christlichen Kirchen hierzulande, „ist es wichtig, Vorurteile abzubauen“. Leider seien „Religionen immer wieder Mittel, um Menschen zu manipulieren“. Mehmets Nachsatz: „Wir sollten uns alle viel mehr bemühen, Brücken untereinander zu bauen und niedere Emotionen abzubauen.“
Zur Sache:
Aleviten nennen sich die Anhänger jener Konfession, die sich aus dem schiitischen Islam entwickelte und deren Ursprung im 13. Jahrhundert liegt. Das Alevitentum ist eine Glaubens- und Kulturgemeinschaft, deren Ziel die Vervollkommnung des Menschen als „reifstes Geschöpf“ ist. Der alevitische Glaube lehnt jegliche Gewalt ab und steht für die Achtung der Menschenrechte, Humanismus, für unabhängige Toleranz, bekennt sich zu pluralistischer Demokratie und verurteilt Fremdenfeindlichkeit und Fundamentalismus.
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