Willkommen in Vindobona!
Die Stadtarchäologie Wien befördert Funde aus der Vergangenheit unserer Stadt in die Gegenwart.
LEOPOLDSTADT. Constance Litschauer hat einen staubigen Beruf, der sie auch oft auf Baustellen führt. Sie ist aber keinewegs Bauarbeiterin, sondern Archäologin. Ihr Arbeitsalltag ist die archäologische Erforschung der Vergangenheit Wiens. Dabei gibt es aber keine zeitgeschichtlichen Limits: "Von der Keltenzeit bis zum Zweiten Weltkrieg interessiert uns alles!", erklärt sie. "Die Stadtarchäologie Wien ist ein Teil des Wien Museums. Unsere Funde sind praktisch von der Ausgrabungsstätte Teil des Inventars des Wien Museums. Bis sie jedoch im Depot landen, sind viele Schritte nötig: Unsere Aufgabe ist nicht nur die Ausgrabung, sondern vor allem die wissenschaftliche Auswertung", ergänzt Litschauer.
Wie kommen die Stadtarchäologen zu ihren Funden?
"Idealerweise haben wir Straßenzüge, wo Baustellen geplant sind, bereits wissenschaftlich aufbereitet und wissen daher, dass dort Funde zu erwarten sind. Gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt setzen wir uns dann mit den Baufirmen in Verbindung", sagt Litschauer. "In den letzten Jahren ist das Verständnis für unsere Ausgrabungen viel besser geworden, obwohl sie Bauvorhaben natürlich immer verzögern. Aber wenn Knochen gefunden werden, sind die Bauarbeiter immer froh, dass wir uns darum kümmern!", lacht Litschauer.
"Vor dem Baubeginn untersuchen wir dann die einzelnen Erdschichten: Begonnen wird mit dem Bagger, dann werden unsere Instrumente vom Krampen bis zum Pinsel immer feiner", merkt Litschauers Kollege Martin Mosser an.
1. Bezirk
"Der 1. Bezirk ist in der Stadtarchäologie das Zentrum von allem: Überall findet man altes Baumaterial aus der Römerzeit, auf das im Laufe der Zeit einfach neue Häuser draufgestellt wurden", erklärt Litschauer. Am Hof etwa "geht's zwei Meter unter der Erde los!", ergänzt sie. Besonders ergiebig sei auch der Rabensteig, wo einst ein römisches Legionslager angesiedelt war: "Im Zuge eines Wasserleitungsbaus fand man dort in zwei Meter Tiefe nicht nur Ziegel und Mauerwerk aus der Römerzeit, sondern auch ein altes Stadttor", sagt Mosser. Gräberfelder fand man etwa am Karlsplatz und auch bei der Albertina. In der heutigen Bäckerstraße gab es bereits im Mittelalter Wohntürme mit vielen Geschoßen. "Nahezu die gesamte Ringstraße ist im Untergrund mit alten Bastionen durchzogen", sagt Litschauer.
3. Bezirk
"Das alte Vindobona zog sich bis zum heutigen Rennweg. Generell findet man auf der Landstraße vieles, weil dort eine römische Zivilsiedlung lag: In der Linken Bahngasse etwa bearbeitete Tierknochen, die zur Knopfproduktion verwendet wurden, oder auch Keramik. Immer wieder auch römische Glasscherben, Münzen oder auch Mauerwerk, etwa in der Beatrixgasse", erläutert Litschauer. In der Juchgasse fand man bei Wasserleitungsarbeiten ein römisches Körpergrab.
8. Bezirk
"In der Lange Gasse fand man bereits 1902 eine zehn Meter tiefe Grube - und ein römisches Gefäß", erklärt Litschauer. In der Josefstädter Straße wiederum fand man ein römisches Ziegelgrab: Die Ziegel waren teilweise mit Stempeln der 14. römischen Legion versehen." Gleich in der Nachbarschaft stieß man Anfang des 20. Jahrhunderts auf römische Keramiküberreste und Knochen. In der Lerchenfelder Straße fand man bei Kanalbauarbeiten im Jahr 1904 eine römische Münze des Kaisers Constantinus I.
9. Bezirk
"In der Sensengasse haben wir eine Überraschung erlebt: Wir dachten, 'da kommt eh nichts' - bei den Bauarbeiten wurden dann aber gleich drei neuzeitliche Friedhöfe gefunden: der Bäckenhäusel Gottesacker, der Spanische Friedhof und der Neue Schottenfriedhof", sagt Litschauer. Alle Friedhöfe wurden im Jahr 1784 aufgelassen. In den Gräbern fand man vor allem menschliche Skelette, aber auch Bronzekreuze, Schmuck, Trachtbestandteile, Keramik und Mauerwerk.
12. Bezirk
"In Meidling findet man bei Bauarbeiten immer wieder Gegenstände aus der Römerzeit:
Am Schöpfwerk bereits im Jahr 1926 etwa eine dreiflügelige Pfeilspitze sowie zwei römische Münzen. In Altmannsdorf, zwischen Hetzendorferstraße und Hoffingergasse, entdeckte man einen gut erhaltenen Kupferdenar von Constantius II. Die Breitenfurterstraße wiederum dürfte schon in der Römerzeit gut befahren worden sein: Hier fand man bei Kanalgrabungen Reste einer römischen Straße.
17. Bezirk
"In Hernals betrieb man in der Römerzeit eine Legionsziegelei: In einer Manufaktur stellte man Ziegel her, die dann in Vindobona, der heutigen Innenstadt, zum Siedlungsbau verwendet wurden", erläutert Litschauer. In der Röntgengasse wurden im Jahr 1938 neolithische Siedlungsreste freigelegt. Am Heuberg wiederum fand man eine römische Münze und ein Fragment einer Zwiebelknopffibel. Im Jahr 1943 fand man beim Umbau der Dornbacher Pfarrkirche am Rupertusplatz zwei Teile eines römischen Sandsteintorsos.
22. Bezirk
"Aspern ist für uns Archäologen ein schieres Paradies - dort findet man von der Urzeit bis zu Napoleon Wertvolles: Obwohl durch die früheren Donau-Überschwemmungen viel zerstört wurde, stieß man bei den Bauarbeiten zur Seestadt auf Siedlungsreste aus der Ur- und Frühzeit", erklärt Litschauer. Aber auch Napoleons Schlacht von Aspern beschert den Stadtarchäologen immer wieder Glücksgefühle durch Waffen- und Rüstungsfunde.
Aufgabe der Stadtarchäologie sei es auch, jüngere Forschungsergebnisse zu veröffentlichen: "Da haben wir einen eigenen Blog auf www.stadtarchaeologie.at/freigelegt, wo wir wöchentlich neue Funde posten", erklärt Mosser.
Generell seien Funde in den Außenbezirken oft schon knapp unter der Oberfläche möglich, während man in der Inneren Stadt, die dem alten Vindobona weitgehend entspricht, deutlich tiefer graben müsse: "Die Wiener Innenstadt ist uraltes Siedlungsgebiet: Gräbt man in die Tiefe, gelangt man im Verlauf der einzelnen Erdschichten von den jüngsten Siedlungen bis zurück in die Römerzeit", erklärt Litschauer. "Im modernen Wien steckt also wirklich noch sehr viel Vindobona!"
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