„Verschleppt – Verbannt – Unvergessen“
Ferdinand Rieflers Schicksal aus Obritz neu erzählt

- Auch eine Delegation aus Rieflers Heimatgemeinde Hadres-Obritz wohnte der Präsentation bei.
- Foto: NÖ Landtag/Antal
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Das Buch „Verschleppt – Verbannt – Unvergessen“ des aus Obritz stammenden Landtagsabgeordneten Ferdinand Riefler wurde neu veröffentlicht – als Mahnmal gegen politische Verfolgung und für demokratische Werte.
OBRITZ. Ferdinand Riefler, geboren im Jahr 1897, verlegte seinen Lebensmittelpunkt nach Obritz im Bezirk Hollabrunn, nachdem er in Wien während der NS-Zeit unter Druck gekommen war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Riefler 1945 als ÖVP-Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag angelobt, jedoch im August 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppt und zu vier Jahren Arbeitslager verurteilt. Ein Schicksal, das er mit Landtagsabgeordneten Franz Gruber (SPÖ) und über 2.000 weiteren Österreicherinnen und Österreichern teilt. Riefler kehrte erst sechs Jahre später aus der Sowjetunion zurück. Er verstarb im Jahr 1975 in Hollabrunn.

- Landtagspräsident Karl Wilfing, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung sowie Historiker Christoph H. Benedikter (v.l.) vor einer Abgeordnetenbank, die bei der Buchpräsentation zur Erinnerung an das Schicksal von Ferdinand Riefler und Franz Gruber freigelassen wurde.
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Mahnmal an die Zukunft
Nach seiner Rückkehr nach Niederösterreich veröffentlichte Riefler seine Erinnerungen an Haft, Zwangsarbeit und Überleben im Gulag sowie in der Verbannung in dem Buch „Verschleppt – Verbannt – Unvergessen“. Damit die Geschichte der beiden Abgeordneten nicht in Vergessenheit gerät und um daran zu erinnern, dass Demokratie, Redefreiheit und ein funktionierender Rechtsstaat keine Selbstverständlichkeiten sind, wurde das Werk nun auf Initiative von VP-Landtagspräsident Karl Wilfing in Zusammenarbeit zwischen dem Land Niederösterreich und dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung neu herausgegeben und wissenschaftlich kontextualisiert. Ergänzt wurde das Buch außerdem um die Lebensläufe von Riefler, Gruber sowie dessen Tochter Helene, die ebenfalls von den Sowjets inhaftiert und in der Folge in einen Gulag gebracht wurde. Nun wurde das Ergebnis präsentiert.

- Landtagspräsident Karl Wilfing (l.), die Dritte Präsidentin Elvira Schmidt (2.v.r.) und Landtagsdirektor Thomas Obernosterer durften die Enkeltöchter von Ferdinand Riefler Dagmar Gouttay-Riefler (2.v.l.) und Verena Mehofer bei der Buchpräsentation begrüßen.
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Demokratie ist kein Selbstläufer
„Das Buch führt uns vor Augen, dass Demokratie nicht in Stein gemeißelt ist, sondern täglich verteidigt und gelebt werden muss. Daher ist es mir ein besonderes Anliegen, dass wir die Geschichten von Ferdinand Riefler und Franz Gruber nicht vergessen. Wie uns die wissenschaftliche Kommentierung und Kontextualisierung durch den Historiker Christoph H. Benedikter zeigt, stehen die beiden Lebensgeschichten exemplarisch für das Schicksal hunderter Österreicherinnen und Österreicher nach 1945. Es zeigt uns auch, dass gelebter Parlamentarismus keine Selbstverständlichkeit ist. Damals setzte der Landtag mit dem bewussten Freihalten der Sitze der beiden verschleppten Abgeordneten ein sichtbares Zeichen gegen Unrecht und für Solidarität. Daraus erwächst für uns heute die Verantwortung, die Institutionen der parlamentarischen Demokratie entschlossen zu schützen und ihr Fundament an die nächste Generation weiterzugeben“, hielt Landtagspräsident Karl Wilfing bei der Buchpräsentation fest.
Gegen Spaltung und Hass
Für VP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner passt das Buch perfekt in das heurige niederösterreichische Gedenkjahr „Erinnern für die Zukunft“: „Die Schicksale von Ferdinand Riefler und Franz Gruber waren das Ergebnis der Spaltung der Gesellschaft und des unversöhnlichen Gegeneinanders politischer Lager in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Leider nehme ich derzeit Tendenzen wahr, die wieder in diese Richtung gehen: Der Diskurs wird immer zugespitzter geführt, und die Meinung anderer wird – insbesondere in sozialen Medien – verächtlich gemacht. Wohin das führt, ist in ‚Verschleppt – Verbannt – Unvergessen‘ nachzulesen. Auch wenn sich Geschichte nicht wiederholt, sollten wir aus ihr unsere Lehren für unser Handeln ziehen. Denn damit leisten wir einen Beitrag zur besten Zukunft unserer Kinder.“

- Der Schauspieler Peter Faerber las ausgewählte Texte aus den Erinnerungen Rieflers.
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Zeitzeugen einer erschütterten Epoche
Der Historiker Christoph H. Benedikter vom Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung stellte die damals veröffentlichten Erinnerungen von Riefler in den richtigen historischen Kontext. Sein Resümee nach der Bearbeitung des Buches: „Ferdinand Riefler und Franz Gruber stehen nicht nur für die etwa 2.000 von den Sowjets verschleppten österreichischen Zivilverurteilten. Sie repräsentieren zugleich eine ganze Generation, die mit einer erschütternden Abfolge historischer Katastrophen konfrontiert war. Wer um 1890 in Österreich geboren wurde, musste – wenn er ein Mann war – im Ersten Weltkrieg an die Front, alle hatten hernach die Zwischenkriegszeit mit Wirtschaftskrisen und Polarisierung zu überstehen und fanden sich am Ende in der NS-Diktatur und im Zweiten Weltkrieg wieder. Sowohl Riefler als auch Gruber überstanden all das, inklusive politischer Verfolgung durch die Nationalsozialisten, und stürzten sich 1945 mit Elan in den Wiederaufbau. Dass ihre Geschichten nicht mit späten Erfolgen endeten, ist die persönliche Tragik dieser beiden Leben.“
Das Buch „Verschleppt – Verbannt – Unvergessen. Die niederösterreichischen Abgeordneten Ferdinand Riefler und Franz Gruber in Stalins Gulag“ ist im gut sortierten Buchhandel sowie über die Webseite des Studienverlags www.studienverlag.at erhältlich.
Links zu den Biografien der beiden Abgeordneten auf der Seite des Landtags von Niederösterreich:
Ferdinand Riefler: https://noe-landtag.gv.at/personen/ferdinand_riefler
Franz Gruber: https://noe-landtag.gv.at/personen/franz_gruber
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